Ein Löwenzahn, ein Goldhamster und du – ihr alle habt mehr miteinander gemeinsam als es zunächst scheint. Denn alle Lebewesen bestehen aus Zellen. Das sind sozusagen die Bausteine, aus denen sich Pflanzen, Tiere und Menschen zusammensetzen. In jedem dieser Bausteine steckt ein Bauplan. In dem steht, wie die Zellen aussehen sollen, was sie zu tun haben und wie sie aufeinander aufbauen.
Unser Bauplan gibt vor, welche Haarfarbe oder Augenfarbe wir haben, wie wir wachsen und uns entwickeln. Und auch, wie gut wir Krankheiten abwehren. Dieser Plan ähnelt dabei den Bauplänen unserer Eltern. Denn wir bekommen stets einen Teil des Plans von der Mutter und einen vom Vater. Man sagt: Wir erben sie. Darum nennt man die Baupläne auch Erbgut.
Dieses Erbgut zu verstehen ist für die Wissenschaft eine große Herausforderung. Denn wenn Forscher den vorgesehenen Plan des Lebens genau durchschauen, dann können sie ihn auch nach ihrer eigenen Vorstellung verändern. So könnten sie etwa Krankheiten heilen, indem sie den Plan an der entscheidenden Stelle umschreiben.
Das Erbgut verändern
Menschen doktern schon eine ganze Weile daran herum, Lebewesen nach ihren Wünschen zu schaffen. Landwirte züchten Tiere nach ihrer Idee, indem sie Elterntiere mit bestimmten Eigenschaften zusammenbringen. Dabei kommen etwa Kühe heraus, die besonders viel Milch geben. Oder Hühner, die besonders viele Eier legen. Und Pflanzen werden so gekreuzt, dass sie viele Früchte tragen und beständiger gegen Krankheiten sind.
Wissenschaftler versuchen, das gewünschte Erbgut stärker zu beeinflussen. Sie mischen nicht mehr die vollständigen Baupläne zweier Elternteile. Stattdessen basteln sie im Labor einzelne Abschnitte eines Bauplans in einen anderen hinein. Weil diese Abschnitte auch Gene genannt werden, sprechen wir bei dieser Forschung von Gentechnik. Vor kurzem haben Gentechniker einen Riesenschritt gemacht. Und zwar mit einer Erfindung namens Crispr/Cas9.
Die Genschere verändert alles
Crispr/Cas9. Hinter diesem komischen Namen steckt vielleicht eine der wichtigsten Erfindungen unserer Zeit. „Mit dieser Erfindung können Genforscher den Bauplan der Lebewesen bearbeiten“, erklärt Dimitrios Wagner. Er ist Wissenschaftler auf dem Gebiet der Genforschung. Crispr/Cas9 ist auch als Gen-Schere bekannt. „Viele Wissenschaftler wollen mit dieser Schere unsere Welt besser machen“, sagt der Fachmann. „Sie hoffen damit Krankheiten zu behandeln, die bislang als unheilbar gelten.“
Wissenschaftler kamen auf die Idee, als sie ein Bakterium beobachteten, das einen Virus bekämpfte. Ein Eiweiß im Bakterium machte dabei das Virus zuverlässig unschädlich. Und zwar, indem es das Erbgut des Virus erkannte und zerschnitt.
„Später fanden Forscher heraus, dass man diesen Vorgang auch bei Zellen von Tieren und Pflanzen nutzen kann“, erklärt der Fachmann. „Bringt man Crispr/Cas9 in Zellen ein, sucht das Eiweiß mit dem Namen Cas 9 einen bestimmten Abschnitt im Erbgut auf und schneidet es heraus.“ Die Gen-Schere arbeitet schnell, gezielt und einfach. Deshalb arbeiten Labore weltweit mit dieser Technik.
Allerdings finden diese Idee nicht alle Fachleute gut. Sie meinen, dass der Mensch dabei zu weit in die Natur eingreift und diese dabei womöglich gefährdet. „Die Forschung mit der Gen-Schere steht noch ganz am Anfang“, erklärt Dimitrios Wagner dazu. „Doch die Erfindung hat die Tür zu neuen Möglichkeiten aufgeschlagen, die wir heute noch nicht absehen können.“
Übrigens: Wissenschaftler nennen das Erbgut auch DNA oder DNS. DNS ist die Abkürzung für ein kompliziertes Wort: Desoxyribo-Nuklein-Säure. DNA ist der englische Begriff dafür, weil Säure auf englisch Acid heißt. Die DNS ist wie eine winzig kleine Strickleiter aufgebaut. Zwei von insgesamt vier chemischen Bausteinen bilden dabei die Sprossen der Leiter. Andere Bausteine aus Zucker bilden die Stricke.
Die Reihenfolge dieser Sprossen ergeben eine Art Geheimcode. In ihm steckt, welche Eiweiße etwa Muskeln bauen oder Schadstoffe abbauen sollen. Der Geheimcode ist sozusagen der Bauplan des Lebens. Er gibt der Wissenschaft noch immer viele Rätsel auf.
Text und Bild: Philipp Brandstädter,
zunächst erschienen über dpa Nachrichten für Kinder, Januar 2019
Quellen: