Schwarzes Moor

Darf es etwas Moor sein?

Wer Blumenerde mit Torf nutzt, trägt dazu bei, dass Moore austrocknen. Die Feuchtgebiete brauchen wir nicht? Im Gegenteil: Sie sind ein wichtiges Element
im Kampf gegen den Klimawandel.

Eigentlich bin ich selbst schuld. Aber ein bisschen lag’s auch am Wetter. Denn wäre es über die Feiertage nicht so ungewöhnlich warm gewesen, hätte es uns auch nicht so lange im Garten gehalten. Die lieben Eltern plauderten mit den lieben Nachbarn über diese paar prächtig gewachsenen Bäumchen und jene zu frisierende Hecke. Und kaum hatte ich mich höflich interessiert an den Fachsimpeleien beteiligt, gaben mir die Gartenprofis auch schon eine gefühlte Schubkarre Wunderdünger, Ableger, Saatgut und vor allem nützliche Tipps mit auf den Heimbalkon.

Einen Hinweis gabs von Frau Nachbarin noch oben drauf: Ich möge doch bitte torffreie Erde kaufen. Das verstehe sich doch von selbst, log ich zurück.

Zugegeben: Über Blumenerde habe ich mir bislang noch nicht ganz so oft den Kopf zermartert. Aber das riesige Angebot an Möglichkeiten ist schon erstaunlich: Qualitätserde für Zimmer und Garten; Balkonerde für eine gesunde Wurzelbildung; Anzuchterde mit Startdünger für beste Wachstumsbedingungen; 20 Liter Rhododendron- und Hortensienerde mit Rindenhumus für die optimale Luft- und
Wasserversorgung für 8,99 Euro; 40 Liter Gemüseerde mit Bio-Siegel für eine schmackhafte und ertragreiche Ernte für 10,99 Euro – oder eben die günstigste Blumenerde, 40 Liter für 2,39 Euro, die volle Packung Torf.

Bewahrt den Torf

Als Torf bezeichnet man nicht vollständig zersetzte Pflanzenteile in Mooren. Dass Moore schützenswert sind, weiß ich immerhin schon von klein auf. Als Kind habe ich die Wanderungen durchs Schwarze Moor in der Hohen Rhön geliebt. Mucksmäuschenstill schlich ich auf den knarzenden Bohlen des Holzstegs durch diese unwirkliche Zwischenwelt, die weder Land noch Wasser zu sein schien. Ich bestaunte die kargen Bäume und Büsche, das Schilf und die Gräser, Moose und den Sonnentau – und ließ mir später von den Erwachsenen Gruselgeschichten über Hexen und Moorleichen erzählen. Geschichten, die der ständige Nebel und die geisterhafte Stille des Moors hervorbrachten, damit auch ja kein Kind vom Holzweg abkommt und versinkt.

Die Gruselgeschichte von Leuten aber, die das Jahrtausende alte Moor trockenlegen und dessen Torf abbauen, erzählte mir niemand. Wie bedroht die Feuchtgebiete und
wie wichtig sie für das Klima sind, habe ich erst sehr viel später gelernt. „Eigentlich wären heute in Deutschland fünf Prozent der Landschaft von Mooren bedeckt“, sagt Olivier Hirschler, der am Thünen-Institut in Braunschweig zu dem Thema forscht. „Doch erst hat man den Torf als Brennstoff verheizt und später die Moore trockengelegt, um mehr Fläche für die Land- und Forstwirtschaft zu gewinnen.“ Deshalb machen Moore nur noch 3,6 Prozent der Fläche Deutschlands aus.

Der bessere CO2-Speicher

Auch weltweit sind Moore in Gefahr – und das wiederum bedroht das Weltklima. Die
Feuchtgebiete speichern ein Drittel des weltweiten Kohlenstoffs, so viel wie alle Wälder der Erde zusammen. Doch nur nasse Moore können den Kohlenstoff dauerhaft im Boden binden. Baut man Torf ab, fallen Böden trocken. Und wenn sich der Kohlenstoff aus dem Boden mit dem Sauerstoff in der Luft zu CO2 verbindet, beschleunigt das den Klimawandel.

Trotzdem wird immer noch Torf abgebaut – oder gestochen, wie man es nennt. Vor allem in den baltischen Staaten. Doch auch Deutschland ist ein großer Torfproduzent.
Im Garten wird er als günstiges und verlässliches Substrat geschätzt. Herkömmliche
Blumenerde besteht oft zu 80 oder 90 Prozent aus dem Sediment. „Es speichert bestens Luft und Wasser, hat einen guten pH-Wert, ist leicht zu transportieren und enthält kaum Keime“, erklärt Experte Hirschler.

Torf – das Wundermittel? Nein, nein, er ist nicht der unersetzliche Stoff, der unsere
Pflanzen am besten wachsen lässt. Es lässt sich einfach nur gut mit ihm gärtnern. Und durch die gewohnten Routinen in Abbau, Anlieferung und Vertrieb ist der Rohstoff noch günstiger geworden. Könnten wir uns dann nicht einfach umgewöhnen? „Tatsächlich gibt es viele Alternativen für torffreie Erde auf dem Markt“, sagt Olivier Hirschler und zählt etliche Mischungen auf: Erden aus Holzfasern oder Rindenhumus, Grünschnittkompost oder Kokosmark, und so weiter.

Augen auf beim Erdenkauf

Die Auswahl ist gewaltig. Aber die Alternativen würden auch neue Herausforderungen mit sich bringen, so der Fachmann. Manche Pflanzen dürfte man nicht zu vielen Nährstoffen aussetzen, andere müsse man etwas häufiger gießen. Das seien jedoch Feinheiten, die höchstens für professionelle Gartenbaubetriebe relevant seien.

Ich habe verstanden: Mein kleiner grüner Daumen kann Großes bewirken. Meine Blumen können besonders schön sein und ich kann gleichzeitig was Gutes für die Umwelt tun. Mit dem bisschen torffreie Erde, das ich aus dem Baumarkt nach Hause schleppe, trage ich meinen Teil dazu bei, die Feuchtgebiete dieser Welt zu schützen. Irgendwo muss man ja anfangen. Darf es etwas Moor sein? Danke, nein, lieber etwas weniger.


Text und Bild: Philipp Brandstädter

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