Tiger

Die Bergmannsche Regel

Ob im Wasser und an Land, in Tälern und Bergen, im warmen oder in kalten Gebieten: Fast überall auf der Welt haben Lebewesen einen Lebensraum gefunden und sich an ihn angepasst. Wenn wir unsere Erde mal zwischendurch bestaunen, anstatt sie kaputt zu machen, können wir die Vielfalt in allen Farben, Formen und Größen beobachten.

Sogar innerhalb einer Tierart können Tiere unterschiedlich aussehen. So ist zum Beispiel der Eisbär größer als andere Bären, der Sibirische Tiger größer als der Sumatra-Tiger und der Kaiserpinguin größer als der Brillenpinguin. Dabei fällt auf: In kalten Gegenden sind Tierarten im Durchschnitt größer als ihre Verwandten in warmen Gegenden.

Reine Mathematik

Woran das liegt, weiß Maren Siebert vom Tierpark Berlin: „Gleichwarme Tiere wie die meisten Säugetiere und Vögel produzieren Wärme. Je größer das Tier ist, desto mehr Wärme entsteht. Ein Teil dieser Wärme wird an die Umwelt abgegeben.“ Das ist natürlich besonders in kalten Regionen ein Problem. Die Tiere dürfen nicht auskühlen. Sonst erfrieren sie. Nun hält ein größerer Körper besser die Wärme in sich als ein kleiner. Warum sich das mit den Körpern so verhält, ist reine Mathematik.

Die Rechnung geht so: Größere Körper haben im Verhältnis zu ihrem Volumen eine kleinere Oberfläche. Na klar, ein großer Bär hat insgesamt mehr Fell um seinen Körper als ein kleiner Bär. Aber das Verhältnis ist ein anderes. Man braucht sozusagen weniger Fell, um einen größeren Bären einzupacken als man für zwei halb so große Bären bräuchte.

Das Verhältnis macht’s

„Da ein Tier über seine Oberfläche Wärme abgibt, ist es also für Tiere in der Kälte gut, eine verhältnismäßig geringe Oberfläche zu haben“, erklärt Maren Siebert. Dagegen haben Tiere in der Hitze oft eine verhältnismäßig größere Oberfläche. Denn so können sie über eine größere Fläche Wärme abgeben und überhitzen nicht so schnell. „Somit ist der Kaiserpinguin, der in der Arktis lebt, größer als der Brillenpinguin an der Küste von Afrika.“

Dass die Größe nah verwandter Tierarten mit der Temperatur ihrer Umwelt zusammenhängt, hat der deutsche Arzt und Zoologe Carl Bergmann zuerst beobachtet. 1847 sagte er: Tierarten in kalten Gebieten sind allgemein größer als ihre Verwandten in warmen Gegenden. Diese Feststellung kennt man auch als die Bergmann’sche Regel.

Diese Regel ist aber nicht immer und überall gültig. Zunächst hat Carl Bergmann das nur für Vögel und Säugetiere festgestellt. Aber neben der Kälte oder Wärme gibt es noch viel mehr Eigenschaften der Umwelt, die das Aussehen von Tieren beeinflussen können. Es stimmt also, dass größere Körper besser Wärme speichern. Aber die Natur muss sich nicht unbedingt an diese Rechnung halten. Die Bergmann’sche Regel ist eben nur eine Regel und kein Gesetz.

Große und kleine Ohren

Von diesen Regeln gibt es noch ein paar mehr. So kann die Größe ihrer Ohren etwas über den Lebensraum von Tieren verraten. Der Afrikanische Elefant hat zum Beispiel größere Ohren als der Asiatische Elefant. Das bereits ausgestorbene Mammut, das in kalten Gegenden lebte, hatte vergleichsweise winzige Ohren. Bei Füchsen ist das ganz ähnlich. Die Ohren der Polarfüchse sind kleiner als die Ohren der Wüstenfüchse.

Der Grund: Größere Körperanhänge geben mehr Wärme an die Umgebung ab. In wärmeren Gebieten kann also eine große Oberfläche von etwa Ohren den Tierkörper besser abkühlen. Der US-Amerikaner Joel Allen hat das beobachtet. Nach ihm ist die Allen’sche Regel benannt. Sie besagt, dass Gliedmaßen wie Ohren oder Schwanz bei Säugetierarten größer werden, je wärmer ihr Lebensraum ist.

Text und Bild: Philipp Brandstädter,
zunächst erschienen über dpa Nachrichten für Kinder, Juni 2020

Quellen:

Bergmannsche Regel

Ausnahmen der Bergmannschen Regel

Allens Regel

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