In Deutschland fahren rund halb so viele Autos auf den Straßen herum wie es Einwohner gibt. Kaum vorstellbare 46 Millionen Pkw sind das! Weltweit bauen über 100 Hersteller Autos. Aber wie machen die das?
Die Halle ist so riesig, man kann kaum erkennen, wo sie aufhört. Überall bewegen sich riesige, gelbe Roboter-Arme. Wie von Geisterhand gesteuert greifen sie sich Bauteile, drehen sie hin und her, fügen sie zusammen. Sie schrauben und schweißen und reichen die Teile anderen Robotern. Manchmal sprühen ein paar Funken. Bei der Arbeit in einer Fabrik könnte man einen Höllenlärm vermuten. Doch Geräusche machen die riesigen Roboter kaum. Irgendwie gespenstisch.
Im Porsche-Werk in Leipzig. werden aus einer Menge von großen und kleineren Einzelteilen fertige Autos montiert. Jeder Hersteller baut seine Autos natürlich unterschiedlich zusammen. Aber grundsätzlich sind drei wichtige Stationen in allen Auto-Werken gleich.
DER KAROSSERIE-BAU: Hier werden Teile aus Stahl und Aluminium von computergesteuerten Robotern zu einem Metall-Kleid zusammengefügt. Die Karosserie entsteht. Damit ist der Aufbau eines Autos gemeint. Zunächst erkennt man nicht so richtig, wie aus einem Metall-Klotz ein Auto werden soll. Doch nach und nach nimmt dieser Klotz Gestalt an. Die Roboterarme fügen die Seitenteile, das Dach, die Heck-Klappe, die Türen und die Motorhaube zusammen. Und auf einmal erkennt man nicht nur, dass der Klotz mal ein Auto wird. Anhand der Form zeigt sich auch schon, um welches Modell es sich dabei dreht.
DIE LACKIEREREI: Auf einem Fließband wandern die Karosserien zur nächsten Station. In der Lackiererei werden sie zunächst kopfüber in ein Becken mit einer silbrigen Flüssigkeit getaucht. Diese schützt das Auto später gegen Rost. Einige Minuten badet jede Karosserie in dieser Suppe. Danach wird sie in einem großen Ofen getrocknet. Anschließend sprühen weitere Roboter mehrere Sorten Lack auf. Einerseits zum besseren Schutz. Andererseits natürlich, damit das Auto eine hübsche Farbe bekommt. Die Roboter arbeiten so fein, dass die Lack-Schicht am Ende nicht dicker ist als ein menschliches Haar. Zum Schluss fahren die Karosserien durch einen Tunnel mit besonderem Licht. Dort können Arbeiter kleine Unebenheiten im Lack erkennen und ausbessern.
DIE MONTAGE: Wo zuvor noch hunderte von Robotern im Einsatz waren, sind nun jede Menge Leute bei der Arbeit. In den Montage-Hallen bekommen die Karosserien ihr Fahrwerk, ihren Motor und alle anderen Bauteile, die ein Auto so braucht. Von den Scheiben und Lichtern über die Seitenspiegel bis hin zu den vielen Knöpfen und Schaltern im Innenraum. Der Tank bekommt Benzin, der Motor noch ein paar Flüssigkeiten. Erst ganz zum Schluss werden die Räder an das Fahrzeug montiert. Fertig ist das neue Auto.
Da an vielen, vielen Wagen gleichzeitig gebastelt wird, verlassen die Autos im Minutentakt das Werk. Bei einer kurzen Testfahrt auf dem Gelände des Werks prüfen Fachleute, ob alles in Ordnung ist. Danach können die Kunden mit ihren nigelnagelneuen Autos losbrausen.
Autos streicheln
Einer dieser Fachleute ist Philipp Köchert. Er streichelt Autos. Mit dünnen, weißen Handschuhen fährt er über die Karosserie. Über das Dach, das Heck, die Türen, die Motorhaube. Der Fachmann befühlt die gesamte Oberfläche des Auto-Aufbaus. Aber warum macht er das überhaupt? Etwa, weil er Autos so gern hat?
Das vielleicht auch. Vielmehr jedoch ist das Streicheln wichtig bei der Herstellung eines Autos. Denn Philipp Köchert erspürt Unebenheiten auf dem Metall. „Die sind für das bloße Auge oft gar nicht sichtbar“, sagt der Experte. „Doch mit viel Fingerspitzen-Gefühl kann ich auch winzige Dellen entdecken.“
Findet der Fachmann etwas, bessert er sie aus und gibt seinen Kollegen Bescheid. Die prüfen dann bei den nächsten Karosserien, ob der Fehler an derselben Stelle noch einmal auftritt. Erst, wenn jede winzige Unebenheit behoben ist, werden die Karosserien an die Lackiererei übergeben.
Es wird geheiratet
Übrigens: Kirchen, Rathäuser und Auto-Werke haben etwas gemeinsam. An allen drei Orten finden sehr oft Hochzeiten statt. Aber wer heiratet denn in einer Fabrik? Tatsächlich: Die Hochzeit unter Autos läuft ein kleines bisschen anders ab.
„Auto-Bauer sprechen von Hochzeit, wenn sie Karosserie und Antrieb zusammenführen“, erklärt Dirk Kolar. Er leitet die Fertigung bei einem großen Auto-Hersteller. In einer Halle montieren Mechaniker zunächst den Motor und das Getriebe auf die Achse des Autos. Dieser Arbeitsschritt heißt Verlobung.
Und dann wird geheiratet: Der frisch verlobte Antrieb wird mit dem dazugehörigen Aufbau des Autos vereint. Dabei hängt die Karosserie an einem Gestell in der Luft. Dann fährt ein computergesteuertes Transport-Fahrzeug den Antrieb unter die Karosserie und hebt es hinauf. Von unten können die Arbeiter dann Aufbau und Antrieb miteinander verschrauben. Die Fachleute haben dabei zwar keine schicken Anzüge an. Es wird auch nicht applaudiert und gejubelt. Ein feierlicher Augenblick ist so eine Hochzeit unter Autos aber trotzdem.
Text und Bild: Philipp Brandstädter,
zunächst erschienen über dpa Nachrichten für Kinder, April 2016
Quellen: