Das Monster soll riesig sein. Richtig unheimlich. In seiner ganzen Größe will es noch niemand gesehen haben. Aber seinen Höcker und ein langer Hals sollen manchmal aus dem Wasser gucken. Genauer gesagt aus dem Loch Ness, einem riesigen See, der weit im Norden von Schottland liegt. Etliche Anwohner haben schon behauptet, sie hätten das Ungeheuer aus der Tiefe gesehen. Weil es im Loch Ness wohnt, heißt das Monster Nessie.
Natürlich ist Nessie nur ein Märchen. Denn Monster gibt es nicht. Aber wenn doch, dann vielleicht im Loch Ness. Der See ist ungewöhnlich. Wegen seines Untergrunds aus Stein und Torf ist das Wasser pechschwarz. Loch Ness ist riesig, sehr tief und sehr kalt. Wegen der gefährlichen Strömungen ist es kein Badesee. Ein See-Ungeheuer hätte hier jede Menge Platz. Für Schauergeschichten ist der Ort also wie geschaffen.
Ein Plesiosaurier?
„Es gibt eine ganze Menge an angeblichen Sichtungen und auch Fälschungen von Nessie“, sagt Ernst Probst. Er hat schon viele Bücher über das Ungeheuer und über andere Legenden geschrieben. „Die Leute halten Nessie für alles Mögliche: einen Wal, eine Schlange, einen Riesenwurm, ein Wasserpferd, einen Tintenfisch und so weiter.“ Die meisten glauben aber, Nessie sei ein Plesiosaurier. Das ist eine große Meeresechse mit einem langen Hals, einem langen Schwanz und breiten Flossen. Aber wie alle Dinos ist auch der Plesiosaurier längst ausgestorben.
Trotzdem: Rund um Loch Ness ist Nessie überall. Als Plastik in Museen und Hotels, auf Bildern an Wanderwegen und als Plüschtier in Spielzeugläden. Nessie ist eine echte Attraktion für Touristen. Denn viele Leute wollen mit eigenen Augen sehen, dass es im Loch nichts zu sehen gibt. Die Besucher können sogar eine Tour auf einem Forscherboot mitmachen. Biologen nehmen den See immer wieder mit besonderen Messgeräten unter die Lupe. Sie haben herausgefunden: Im Loch Ness gibt es nur wenig Leben. Weil das Wasser so dunkel ist, wachsen dort kaum Algen. Weil so wenig Algen wachsen, gibt es nur wenig Fische. Riesige Ungeheuer schon gar nicht. Und wenn doch, dann hätten sie in dem See kaum etwas zu fressen.
Und wenn doch?
Warum gibt es dann immer wieder neue Geschichten über Nessie? „Weil sich viele Menschen wünschen, es würde tatsächlich ein Ungeheuer geben“, erklärt Ernst Probst. Die Leute haben sich schon immer gern Geschichten von Drachen und anderen Monstern erzählt. „Mehr als 10.000 angebliche Augenzeugen haben hoch und heilig geschworen: Sie haben im Loch Ness ein leibhaftiges See-Ungeheuer gesehen“, weiß der Schriftsteller. „Es gibt sogar Berichte von Politikern, Richtern, Polizisten, Ärzten und Wissenschaftlern. Es ist ein Zeichen dafür, dass sich jeder Mensch irren kann. Und dass uns unsere Augen gern mal Streiche spielen.“
Trotzdem: Nur mal angenommen, Saurier hätten im Loch Ness überlebt. Mal angenommen, Nessie würde es tatsächlich geben. Müsste das Ungeheuer dann nicht schon viele tausend Jahre alt sein? Wahrscheinlicher wäre doch, dass es mehrere Nessies geben würde. Erwachsene Ungeheuer, die kleine Ungeheuer auf die Welt bringen – und alte Ungeheuer, die irgendwann sterben.
„Es müsste schon ein paar Dutzend Artgenossen geben, damit Nessie nicht ausstirbt“, erklärt der Experte Ernst Probst. „Das hieße aber, dass jede Menge lange Saurierhälse aus dem See gucken würden.“ Denn so eine Echse müsste zum Luftholen an die Wasseroberfläche kommen. Auch hätte man schon einmal ein paar Knochen von einer alten Echse finden müssen. Aber Loch Ness ist frei von Ungeheuern – und die Geschichten von Nessie sind eben doch nur Märchen.
Nessie, Yeti und Bigfoot
Und die lassen sich Menschen immer wieder gern einfallen. Viele haben zum Beispiel schon einmal vom Yeti gehört. Das soll ein Schneemensch sein. Ein behaartes Geschöpf auf zwei Beinen, das im Himalaya-Gebirge lebt. Der Yeti wurde berühmt, weil Forscher dort riesige Fußabdrücke entdeckten. So ähnlich wie der Yeti soll auch Bigfoot aussehen. Nur soll der in den Wäldern von Nordamerika wohnen. Es gibt sogar ein Video von Bigfoot, das das Wesen bekannt gemacht hat. Doch schnell stellte sich heraus: Das Video war gefälscht. Es zeigte kein unbekanntes Tier, sondern einen Mann in einem Gorillakostüm.
Text und Bild: Philipp Brandstädter,
zunächst erschienen über dpa Nachrichten für Kinder, März 2014