Manche Leute können mit ihren Ohren nichts hören. Doch es gibt ein Gerät, das das Hören für kaputte Ohren übernimmt: das Cochlea-Implantat.
Sehen, Riechen, Tasten, Schmecken, Hören. Das sind unsere fünf Sinne, die wir mit unterschiedlichen Sinnesorganen wahrnehmen können. Hören können wir, na klar, mit unseren Ohren. Die Ohrmuschel sammelt dabei Geräusche wie ein Trichter und schickt diese durch den Gehörgang zu einem dünnen Häutchen: das Trommelfell.
Das Trommelfell gerät durch die Geräusche in Schwingung. Und mit ihm drei winzige Knochen, die miteinander verbunden hinter dem Trommelfell liegen. Sie heißen Hammer, Amboss und Steigbügel. Diese Knöchelchen geben die Schwingungen an die Hörschnecke weiter. Diese verwandelt die Schwingungen in elektrische Signale um und schickt sie über den Hörnerv bis zum Gehirn. Dort werden die Signale dann verarbeitet. So nehmen wir etwa Melodien oder Stimmen wahr.
„Sag mal, du hörst wohl schlecht!“ Den Satz hat so ziemlich jeder schon einmal gehört. Ungeduldige Eltern oder Lehrer sagen ihn gern, wenn sie nicht sofort eine Antwort bekommen. Die meisten Kinder können aber sehr wohl hören. Ab und zu haben sie bloß keine Lust dazu.
Ohren funktionieren nicht
Gwendolin Wever hört tatsächlich nichts. Eigentlich. Schon seit ihrer Geburt funktionieren ihre Ohren nicht. Doch dass man sich mit der jungen Frau trotzdem ganz normal unterhalten kann, macht ein besonderes Gerät möglich. Es übernimmt die Arbeit von Gwendolins Ohren. Das Ding nennt sich Cochlea-Implantat. Oder kurz: CI. Cochlea ist das lateinische Wort für Schnecke. Genau genommen ist dabei die Hörschnecke in unserem Innenohr gemeint.
„Wenn ich Leuten sage, dass ich eigentlich taub bin, können die das meistens gar nicht verstehen“, erzählt Gwendolin. „Hä? Du hörst doch total gut!“, sagen sie dann oft. Dann muss das Mädchen erklären, warum sie gehörlos ist – aber trotzdem hören kann. „Ich höre nicht mit meinen Ohren, sondern mit meinen CI“, sagt Gwendolin dann.
Und das funktioniert so: „Ich trage dieses kringelförmige Teil hier hinter meiner Ohrmuschel“, erklärt die Frau. Das sieht so aus wie manche Kopfhörer. „Es nimmt Geräusche auf, verarbeitet sie und schickt sie dann als elektrisches Signal über ein Kabel an die Sendespule.“ Gwendolin tippt ein Plättchen hinter ihrem Ohr an. Es ist ein bisschen größer als eine Zwei-Euro-Münze. Diese Spule haftet mit Hilfe eines Magneten am Kopf.
Künstliche Schnecke
Hinter Gwendolins Schädelknochen geht das Gerät noch weiter. Das ist der Grund, warum es Implantat heißt. Implantate stecken im Körper. Unter Gwendolins pink gefärbten Haaren kann man davon nichts sehen. Doch als sie klein war, hat man ihr Empfänger hinter ihre Ohren eingebaut: jeweils einen Magneten mit einer Art Antenne dran. „Die regen die Hörnerven in der Hörschnecke an. Und von dort aus den Bereich meines Gehirns, das für das Hören zuständig ist.“
Was Gwendolin also hört, ist nicht der Schall eines Geräuschs, so wie wir ihn kennen. Sie hört vielmehr ein elektrisch verarbeitetes Signal des Schalls. So wie wir Geräusche aus einem Handy oder Radio hören. Die Töne müssen sich dabei ein bisschen quietschig und blechern anhören. Doch Gwendolins Gehirn hat längst gelernt, diese Signale als Geräusche wahrzunehmen. „Für mich klingen die Töne ganz normal. Mit meinen Implantaten höre ich wie ein Luchs.“
Gwendolin hört gern Musik. „Am liebsten ruhige Sachen oder was mit tiefen Bässen.“ Zu hohe Töne wie zum Beispiel eine Geigen-Melodie fiepen zu sehr in ihrem Kopf. Aber Gwendolin muss ja nicht hinhören, wenn sie nicht will. „Wenn ich meine Ruhe haben will, dann nehme ich meine Ohren einfach ab“, sagt die Frau und meint damit ihre Implantate. „Ohne die kann ich nachts immer super schlafen. Und am nächsten Morgen kommen die Ohren dann einfach wieder dran.“
Das Cochlea-Implantat
Und so funktioniert das Gerät: Ein kleiner Computer, eine Batterie und ein Mikrofon. Aus diesen drei Sachen besteht der äußere Teil eines Cochlea-Implantats. Noch vor ein paar Jahren waren die etwas größer und mit Kabeln verbunden. Deshalb hat das Gerät mehr Platz eingenommen. Träger des Geräts hatten immer einen kleinen Beutel dabei. Den konnten sie sich etwa auf den Rücken schnallen.
Heutzutage passt die ganze Außen-Technik eines Cochlea-Implantats hinter das Ohr. Die Batterien halten bis zu drei Tage lang, viele Modelle sind wasserdicht. Das Gerät ist damit viel einfacher zu benutzen und unauffälliger geworden.
Außerdem kann die Technik noch ein paar Dinge, die ein Ohr nicht kann: Man kann das Implantat etwa direkt mit einem Radio, einem Fernseher oder einem Telefon verbinden. Auch störende Geräusche kann der Computer einfach wegschalten. Etwa den Fahrtwind, wenn man mit dem Auto oder auf dem Fahrrad unterwegs ist.
Text und Bild: Philipp Brandstädter,
zunächst erschienen über dpa Nachrichten für Kinder, September 2016
Quellen: