Eine gewisse Ähnlichkeit haben sie vielleicht mit Hamstern oder Meerschweinchen. Naja, ein kleines bisschen wenigstens. Nacktmulle sehen höchst ungewöhnlich aus. Schließlich haben sie fast kein Fell, winzige Augen und winzige Ohren. Doch nicht nur ihr Aussehen ist ungewöhnlich. Sondern auch ihre Lebensweise.
Nacktmulle leben unter der Erde. In der Wüste Ostafrikas wuseln sie durch unterirdische Tunnel und Höhlen, die sie mit ihren großen Schneidezähnen gegraben haben. Auf diese Weise schützen sie sich sowohl vor der brennenden Sonne als auch vor Fressfeinden.
Aus diesem Grund sehen Nacktmulle aus, wie sie eben aussehen. In ihren stockfinsteren Gängen brauchen sie keine guten Augen. Und ihre lang gestreckten Körpern bewegen sie dank ihrer rosigen, faltigen Haut geschmeidiger durch die engen Tunnel als wenn sie dichtes Fell hätten.
Lange unerforscht
Da sich Nacktmulle in ihrem natürlichen Lebensraum kaum beobachten lassen, wusste man lange Zeit so gut wie nichts über die wunderlichen Wesen. Tierforscher konnten manchmal ihre Geräusche hören, die ein bisschen so klingen wie Vogelgezwitscher. Mittlerweile kann man Nacktmulle aber auch in Zoos bestaunen. Im Tierpark Berlin zum Beispiel.
Im Tierpark leben ungefähr 50 Tiere in einer Kolonie. Dort tapsen sie durch einen künstlichen Bau aus durchsichtigen Röhren und Behältern. So kann man beobachten, wie die manche Tiere Holzspäne für den Nestbau durch die Gänge tragen. Andere schleppen kleine Stückchen Süßkartoffel in ihre Vorratskammern. Ganz schön was los in so einer Nacktmull-Kolonie.
„Nacktmulle sind unheimlich spannende Tiere“, sagt Claudia Walther. Die Tierpflegerin kümmert sich schon einige Jahre um die Nager. „In ihren Kolonien sind sie ähnlich organisiert, wie wir es eigentlich eher von Bienen oder Ameisen kennen.“ Denn auch die Nacktmulle haben stets eine Königin als Oberhaupt. Sie sorgt für den Nachwuchs in der Kolonie. Die anderen Tiere sind Arbeiter. Und die haben ganz verschiedene Aufgaben.
Soldaten und lebende Wärmekissen
So kümmern sich manche Nacktmulle um die Jungtiere, andere verteidigen das Nest. Manche halten die Höhlen sauber oder buddeln neue Gänge. „Einige Tiere arbeiten auch als lebende Wärmekissen“, sagt die Fachfrau. „Wenn es im Nest zu kühl wird, flitzen die ein paar Runden durch die Gänge.“ So erhöht sich ihre Körpertemperatur, wodurch es in den Bauten wieder gemütlich warm wird.
Für gewöhnlich läuft das Leben in einer Nacktmull-Kolonie friedlich ab. Doch sollte ein anderes Weibchen Königin werden wollen, wird es unheimlich. Dann verteidigt die Königin ihren Thron mit ihren scharfen Zähnen. Es kommt zu heftigen Kämpfen in der Kolonie.
Wenn ein neues Weibchen Königin wird, verändert sie ihr Aussehen. Sie wächst in die Länge, bekommt eine hellere Haut und ein Gesäuge. In ihrem langen Leben kann eine Nacktmull-Königin viele Hundert Jungtiere bekommen.
Fall für die Forschung
Nach einigen Jahren der Forschung machten die Wissenschaftler schließlich eine ganz besondere Beobachtung. Sie stellten fest, dass die Nacktmulle ungewöhnlich alt werden. „An die 30 Jahre können unsere Nacktmulle alt werden“, sagt Claudia Walther. Das ist für kleine Säugetiere unheimlich. Im Vergleich werden Hamster oder Mäuse nur zwei bis drei Jahre alt.
Und noch aus weiteren Gründen werden Nacktmulle von Forschern untersucht. Inzwischen haben die Wissenschaftler herausgefunden: Die Tiere spüren kaum Schmerzen. Sie können an die 20 Minuten lang ohne Sauerstoff in ihren Gängen auskommen. Und sie werden ungewöhnlich alt.
Die Forscher fragen sich, worin das Geheimnis der vielen Nacktmull-Kräfte liegt. Denn vielleicht kann man bald mit der Hilfe der Nacktmulle besser verstehen, wie wir Menschen eigentlich altern.
Und noch eine andere Frage ist bislang nicht geklärt: Leben die Mulle aus denselben Gründen so lang wie andere Lebewesen, die sehr alt werden? Wie manche Austern-Arten, Polypen oder der Grönland-Hai etwa. Diese Tiere können alle mehrere hundert Jahre alt werden!
Text und Bild: Philipp Brandstädter,
zunächst erschienen über dpa Nachrichten für Kinder, Mai 2019
Quellen: