Schimpfwörter darf man nicht aussprechen, heißt es oft. Doch schimpfen ist manchmal gar nicht so schlecht, erklärt eine Forscherin. Sie weiß auch, dass die Menschen auf der Welt ganz unterschiedlich schimpfen.
Das Telefon klingelt. Du eilst zum Tisch – und haust dir mit voller Wucht den kleinen Zeh am Tischbein an. Im Stolpern räumst du gleich noch das Glas Wasser ab, das dort steht. Ein großer Schwall ergießt sich über das Smartphone… Was sagst du da wohl? Vielleicht: «Ach, wie schade» oder etwa «So ein Ärger aber auch»? Wohl kaum. Die meisten Leute würden wahrscheinlich laut fluchen: «So eine verfluchte Sch…!»
Aber solche bösen Wörter und Flüche dürfen uns doch nicht herausrutschen! Und aufschreiben oder in der Zeitung lesen sollte man sie schon gar nicht. Das lernen wir schon von klein auf. Die meisten Eltern bemühen sich, dass ihre Kinder keine Kraftausdrücke lernen und benutzen. Umso mehr freuen sich Kleinkinder dann, genau diese Ausdrücke zu verwenden und ihre Eltern damit zu erschrecken.
Fluchen ist ganz normal
Dabei ist Fluchen ganz normal. «In unserer Forschung haben wir eine breite Palette an Funktionen entdeckt, die Schimpfwörter erfüllen», erklärt die Sprachwissenschaftlerin Oksana Havryliv. Die Sprachwissenschaft, die sich mit Schimpfwörtern beschäftigt, heißt Malediktologie. «Manchmal können Schimpfwörter sogar hilfreich sein», sagt die Expertin. «Fluchen hilft oft, um Stress zu bewältigen oder Schmerzen zu lindern.» Kurz gesagt: Die Worte helfen Druck abzulassen. Aber nicht nur! «Wir können aber auch schimpfen, wenn wir freudig überrascht sind.»
Wir Menschen fluchen überall auf der Welt. In ihren verschiedenen Sprachen haben sie Worte gefunden, die besonders scharf klingen. «Scheiße» klingt im Deutschen sehr kraftvoll. Auch auf die Lautstärke kommt es an, wer heftig fluchen will. Die thematischen Bereiche allerdings, aus denen die Wörter stammen, können sich von Sprache zu Sprache unterscheiden.
«Im Deutschen werden besonders viele fäkale Schimpfwörter benutzt», erklärt Oksana Havryliv. Scheiße, beschissen, Arschloch, und so weiter. Auch im Französischen oder Tschechischen wird viel rund um dieses Thema geflucht.
Sex, Religion, Familie
«Im Englischen oder auch Russischen wird vor allem sexuell geschimpft.» In diesen Sprachen geht es beim Schimpfen um Sex und Geschlechtsteile, für die herablassende Worte gefunden werden. Das englische Wort «fuck» ist nahezu ständig im Gebrauch.
Die Italiener und Spanier fluchen am liebsten gotteslästerlich. Auch im süddeutschen Raum wird mit sogenannten sakralen Ausdrücken geschimpft: Himmel, Herrgott, Kruzifix und Jesses Maria. Im arabischen Raum werden Verwandte beleidigt, wenn man richtig doll schimpfen will.
Doch ganz gleich, aus welchen Themengebieten die Worte kommen: Man sollte sie vor allem dann nicht benutzen, wenn man damit andere verletzen würde. Oksana Havryliv hat dazu einen Tipp: «Wer Druck ablassen und laut schimpfen will, sollte am besten über Dinge oder Situationen fluchen.» Der verfluchte, blöde Tisch, der dem kleinen Zeh im Weg stand, wird schließlich nicht gekränkt sein, wenn man über ihn schimpft.
Schimpfworte, Schimpforte
Schimpfwörter werden so ziemlich von allen Menschen benutzt. Aber nicht an allen Orten! Forschende haben herausgefunden: Es gibt bestimmte Orte, an denen besonders viel geflucht wird. Dazu gehören Sportstadien, das Auto und auch das Wohnzimmer.
Der Grund für das gehäufte Schimpfen ist bei all diesen Orten derselbe: Während man sich in seinem Raum sicher und geschützt fühlt, geht es gegen andere, mal allein, mal gemeinsam. Im Stadion werden der Schiri, die Spieler oder die anderen Fans beschimpft. Im Auto sind es die vielen doofen Auto- und Radfahrer. Und im Wohnzimmer ärgert man sich zusammen mit der Familie über Chefs, Kollegen und Lehrer. «Sich durch Schimpfen von negativen Gefühlen zu befreien, schweißt die Menschen zusammen», sagt Oksana Havryliv.
Nett geschimpft
«Schönen guten Morgen, ihr Penner!» Das ist ja eine schöne Begrüßung. Auf dem Schulhof kommt sie trotzdem vor. Denn vor allem Kinder und Jugendliche fluchen auch scherzhaft. «Schimpfwörter werden auch unter guten Freunden für andere gute Freunde verwendet», sagt eine Sprachwissenschaftlerin. Die Freunde kennen sich dabei so gut, dass sie liebevoll ein bisschen gemein zueinander sind.
Auch sonst wird unter Freunden mehr geflucht. «Es ist ein Ausdruck für Nähe und Vertrauen», sagt die Expertin. «Je wohler wir uns in einer Gruppe fühlen, desto eher nutzen wir unangebrachte Worte.»
Dafür müssen alle Beteiligten aber wissen, welche Wörter man benutzen darf und ob sich auch wirklich niemand über sie ärgert. Vielleicht ist ja jemand verletzt, wenn man Witze über die Familie oder die Religion macht. Andere nehmen Scherze über Äußerlichkeiten persönlich. Nett schimpfen ist also gar nicht so leicht.
Text und Foto: Philipp Brandstädter,
zunächst erschienen über dpa Nachrichten für Kinder, Dezember 2024
Quellen: