Orca

Von wegen Killerwal: Orcas sind die schlausten Jäger

Orcas beeindrucken mit ihren Jagd-Methoden. Forschende haben herausgefunden: Die Wale sind gar keine brutalen Killer. Sie leben für ihre Familien und kümmern sich liebevoll um ihren Nachwuchs.

Die hungrige Familie ist auf Beutefang! Immer wieder sieht man ihre schwarzen Rückenflossen aus dem Meer ragen. Manchmal auch die weißen Bäuche. Sechs Orcas haben einen Seelöwen eingekreist. Der ist wendiger als die Orcas. Deshalb setzen die Wale auf Zusammenarbeit. Gemeinsam versuchen sie, ihre Beute unter Wasser zu drücken und nicht mehr an die Oberfläche zu lassen. Damit ihr die Puste ausgeht und die Orcas dann zuschnappen können.

Oma sei Dank

Die meisten Tiere wissen von Geburt an, was sie fressen sollen, wie sie Nester bauen oder an wann ihnen Gefahr droht. Man sagt: Sie handeln aus Instinkt. Bei den Orcas ist das etwas anders. Sie sind Sozialtiere mit einem besonders großen Gehirn. Das erlaubt ihnen, von ihren Artgenossen zu lernen. Dadurch passen sie sich schneller an ihre Umgebung an.

Die Art zu jagen haben die Orcas zum Beispiel von ihrer Oma gelernt. Bei den Orcas führt nämlich für gewöhnlich das älteste Weibchen die Gruppe an. Die hat in der Familie die meiste Erfahrung. Forscher an der Westküste des Landes USA haben herausgefunden: Ohne die alten Wal-Damen ist eine Orca-Familie schlecht dran. Sie braucht die Erfahrung der betagten Orcas, um nicht zu verhungern. Denn die wissen besser als die Jungtiere, wo es Beute zu fangen gibt. Und auf welche Art man sie jagen kann.

„Unter den Orcas ist der Zusammenhalt der Familie enorm wichtig“, erklärt Fabian Ritter. Er ist Wal-Forscher und weiß gut über Orcas Bescheid. „Die Tiere leben immer in derselben Gemeinschaft und umgeben sich stets mit ihren engsten Verwandten. Das kennen wir sonst nur von Menschen-Affen, Elefanten und anderen Wal-Arten.“ Außerhalb ihrer Familie haben Orcas kaum mit ihren Artgenossen zu tun. Die Tiere entwickeln sich vor allem an der Seite ihrer Geschwister, Eltern und Großeltern weiter. Das hat zur Folge, dass sich alle Orca-Gemeinschaften auf der Welt ein bisschen anders verhalten.

Besonders schlau

Wissenschaftler glauben, dass Orcas besonders schlaue Tiere sind. Dennoch hatten Orcas bei den Menschen nicht immer einen guten Ruf. Der lateinische Name Orcinus Orca bedeutet übersetzt etwa: der dämonische Dämon. Das klingt schon ein wenig düster. „Der Wal war den Leuten offenbar unheimlich“, sagt Fabian Ritter. „Vermutlich, weil er so riesig und pechschwarz ist.“

Der Orca hat noch einen anderen Namen: Killerwal. „Es sieht für uns Menschen schon manchmal grausam aus, wenn der Orca Beute macht“, sagt der Fachmann. Trotzdem passe der Name überhaupt nicht. „Löwen nennen wir doch auch nicht Killer-Katzen, nur weil sie Beute jagen.“ Stattdessen seien Orcas kluge Tiere, die nicht nur die Forscher immer wieder begeistern. Dank ihres großen Gehirns können sich Orcas Dinge merken, neue Jagd-Methoden entwickeln – und sogar untereinander verständigen, weiß Fabian Ritter. „Vielleicht sind die Orcas sogar noch viel schlauer als wir glauben.“

Mit Köpfchen zum Futter

Fische, Pinguine, Robben. Orcas fressen so ziemlich alles, was ihnen zwischen die Beißer kommt. Weder vor größeren Walen noch von Haien lassen sie sich abschrecken. Doch wer Tiere jagen will, die schneller oder stärker sind, muss Köpfchen haben. Wal-Forschende haben eine Menge unterschiedlicher Jagd-Methoden beobachtet, die Orca-Familien in allen Weltmeeren erlernt haben.

Vor der Küste des Lands Norwegen etwa jagen Orcas Heringe. Und zwar mit einer Technik, die Wissenschaftler auch „das Karussell“ nennen. „Die Orcas schwimmen immer enger um die Hering-Schwärme herum“, erklärt Fabian Ritter. So verdichten sie den Schwarm. „Die Orcas formen dadurch eine Art Fisch-Ball aus Heringen. Dann schlagen sie mit ihrer Schwanzflosse gezielt auf ihn ein.“ Durch die Wucht des Schlages gelingt es, einige Heringe zu betäuben. Die kann sich die Orca-Familie dann teilen.

Im Mittelmeer wurde auch schon beobachtet, wie Orcas Thunfisch jagen. „Thunfische schwimmen tiefer als Orcas tauchen können“, weiß Fabian Ritter. Deshalb warten die Wale ab und lassen Fischer die Arbeit machen. „Die Orcas wissen genau, wann und wo die Fischer-Boote unterwegs sind.“ Die Orcas schnappen sich dann den Fisch von der Angel. Nur die Köpfe der Thunfische lassen sie übrig. Denn die hängen ja am Angel-Haken, an dem sich auch die Wale verletzen könnten.

Wale mit Persönlichkeit

Wenn es von einer Art nur noch wenige Tiere gibt, dann stellt man sie unter Artenschutz. Die Tiere dürfen dann nicht mehr gejagt werden. So versucht man zu verhindern, dass die Art ausstirbt. Man weiß nicht genau, wie viele Orcas in den Ozeanen anzutreffen. Als weltweit gefährdet gelten sie jedoch nicht. Trotzdem finden manche Naturschützer, dass man die Wale nicht jagen soll. Denn jede Orca-Gemeinschaft ist einzigartig. Forscher glauben, dass Orcas eine Persönlichkeit haben.

„Orcas sind klug, haben Gefühle und sind für ihre Familien unersätzlich“, erklärt Fabian Ritter. „Sie haben ein Selbst-Bewusstsein, wie wir Menschen auch. Das heißt: Sie nehmen sich als ein Ich wahr.“ Wenn ein Orca aus seiner Gruppe weggefangen wird, leiden alle Familien-Mitglieder darunter. Die Erfahrung des Tieres geht dann der Gemeinschaft verloren. Deshalb könne man den Artenschutz nicht danach messen, wie viele Orcas insgesamt in den Meeren leben.

Trotzdem werden Orcas gejagt. Manche werden an Tierparks verkauft. Dort sollen sie die Zuschauer mit Kunststücken unterhalten. „Doch Orcas lassen sich in Gefangenschaft nicht artgerecht halten“, sagt Fabian Ritter. „Sie brauchen ihre Familie und viel Platz.“ In den viel zu kleinen Becken solcher Parks sind Orcas auch schon wütend geworden und haben Menschen verletzt oder gar getötet. In der freien Natur sei das noch nie vorgekommen, sagt der Forscher.

Wölfe der Meere

Sie sind die größten Vertreter aus der Familie der Delfine. Und als die schnellsten unter den Wal-Arten. Orcas haben fast alle Meere auf der Erde erobert. Vor allem in kalten Gewässern sind sie anzutreffen. „Der gedeckte Tisch ist in kühlen Gewässern einfach voller“, erklärt Fabian Ritter. In eisiger Kälte gibt es für sie also mehr Beute zu fangen.

„Durch ihre Art zu Jagen sind sie auch als Wölfe der Meere bekannt“, sagt der Experte. Wenn sie Beute fangen, dann unterstützen sie sich gegenseitig und verständigen sich ständig miteinander. So erbeuten sie Tiere, die wesentlich größer sind als sie selbst. Genau so, wie es Wölfe zum Beispiel mit Büffeln machen.

Dabei sind Orcas eigentlich eher mit einem anderen Landtier verwandt: dem Nilpferd nämlich. Man kann sich kaum vorstellen, dass diese beiden Tiere einen gemeinsamen Vorfahren haben sollen. Doch wie alle Wale sind auch die Orcas Säugetiere. Ihre Ahnen sind vor Millionen von Jahren vom Land ins Meer umgezogen. Die vorderen Gliedmaßen haben sich zu großen Flossen entwickelt. Und ihre Lungen haben sich für lange Tauchgänge angepasst. Orcas tauchen normalerweise minütlich zum Atmen auf. Doch sie können auch bis zu zehn Minuten die Luft anhalten und einige hundert Meter tief tauchen.


Text und Foto: Philipp Brandstädter,
zunächst erschienen über dpa Nachrichten für Kinder, August 2015

Quellen:

Orcinus Orca

Studie Orcafamilien

Jagdmethoden

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