Totenkopfaffen

Warum wir uns fühlen müssen

Fünf Sinnesorgane zeigen uns die Welt. Mit unseren Augen sehen wir Farben und Formen. Mit unseren Ohren hören wir Geräusche. Mit unserer Nase können wir riechen und mit unserer Zunge schmecken. Und dann haben wir noch unsere Haut. Sie ist auch ein Sinnesorgan. Mit der können wir Dinge ertasten und Berührungen wahrnehmen. Der Tastsinn ist besonders wichtig. Denn ohne Berührung könnten wir nicht leben.

Wie unser Tastsinn genau funktioniert, weiß Martin Grunwald. Er ist Experte auf dem Gebiet der Haptik. Haptik ist der Fachbegriff für die Wissenschaft über das System des Tastsinns. Dieses System erforscht Martin Grunwald in seinem Labor in der Stadt Leipzig. Für die Untersuchungen ertasten dort Menschen mit verbundenen Augen alle möglichen Gegenstände aus dem Alltag: zum Beispiel Stifte, Strümpfe, Taschentücher, Schalter und Knöpfe. Die Leute sind dabei durch Kabel mit einem Computer verbunden. „So können wir messen, wie unser Gehirn die Informationen verarbeitet, die von den Fingern erfühlt werden“, erklärt Martin Grunwald. Der Computer findet also heraus, wie Hand und Hirn zusammenspielen.

„Mit den Ergebnissen erforschen wir, was der Sinn alles kann“, sagt Martin Grunwald. „Sobald wir auf der Welt sind, lernen wir durch das Tasten unsere Welt kennen.“ Wir erkunden alles um uns herum, indem wir Dinge berühren. Und wir nehmen wahr, wenn wir berührt werden. „Nur durch unseren Tastsinn wissen wir, dass wir da sind.“

Was unser Tastsinn alles kann

Wie gut unser Tastsinn ist, kannst du mit einem einfachen Experiment ausprobieren: Lege ein Haar auf eine glatte Unterlage. Lege ein Blatt Papier darüber. Dann streiche mit einem Finger über das Blatt. Kannst du das Haar fühlen? Lege ein zweites Blatt Papier drauf. Spürst du immer noch, wo das Haar liegt? Probiere aus, wie viele Blätter Papier du auf die Unterlage legen und trotzdem noch dein Haar fühlen kannst.

„Unsere Haut kann tasten, weil in ihr lauter kleine Sinneszellen stecken“, erklärt Martin Grunwald. „Sie sind auf unserem ganzen Körper verteilt und erledigen ganz unterschiedliche Aufgaben: Die einen erfühlen Druck, andere spüren Vibrationen.“ Manche sind auf Wärme und Kälte spezialisiert, andere auf Schmerz. Dabei sind die Hautflächen überall an unserem Körper unterschiedlich empfindsam. Deshalb können wir ja auch mit den Fingern sehr viel besser tasten als mit dem Ellbogen.

Jede Berührung und jeden Windhauch nehmen wir durch Millionen von Tastzellen wahr. Von denen gibt es rund viermal mehr in unserer Haut als Sinneszellen in unseren Augen. Unser Tastsinn kann Unterschiede von einem Mikrometer wahrnehmen. 1000 Mikrometer sind in einem Millimeter. Ein Millimeter ist der Abstand zwischen zwei Strichen auf einem Lineal. Zum Vergleich: Unser Auge kann nur Unterschiede ab 80 bis 100 Mikrometern wahrnehmen.

Produkte sollen sich gut anfühlen

Der Forscher weiß auch, wie wir den Tastsinn verbessern können. Das ist unter anderem für bestimmte Berufe wichtig. Tierärzte etwa müssen gut tasten können, um herauszufinden, was ihren tierischen Patienten fehlt. Martin Grunwald forscht auch im Auftrag von Firmen. Denn ein Unternehmen, das zum Beispiel Elektrogeräte baut, will genau wissen, ob sich die Knöpfe, Rädchen und Schalter auch gut für die Nutzer anfühlen.

Auto-Hersteller aus der ganzen Welt lassen darum ihre Produkte von dem Haptik-Forscher testen. Sie hoffen, dass sich ihre Autos besser verkaufen, weil sie sich besser anfühlen.

Was sich besonders gut anfühlt, kann man allerdings nicht allgemein sagen. „Mal muss sich ein Schalter anders anfühlen, mal ist ein Stoff für eine Person nicht so weich wie für eine andere.“, sagt Martin Grunwald. „Das hängt immer vom Produkt und auch vom Alter der Leute ab.“ So ziehen Kinder etwa lieber Strümpfe aus einem anderen Stoff an als Erwachsene.

Wir nutzen unseren Sinn nicht mehr so viel

Bei seinen Experimenten hat Martin Grunwald herausgefunden: Alle Sinnesorgane sind zu ganz besonderen Leistungen fähig. Aber sie entwickeln sich nur dann gut, wenn wir sie auch trainieren. Das ist für den Tastsinn ein Problem. Denn der bekommt heutzutage immer weniger zu tun. “Unsere ganze Welt ist glattgebügelt”, findet der Fachmann. „Vieles um uns herum ist aus Plastik, alles ist glatt und schön sauber. Da hat der Tastsinn nicht mehr viel zu tun.”

Außerdem lassen wir uns vor allem von den anderen Sinnen leiten. Wir sehen fern, hören Musik, surfen im Internet, telefonieren, spielen Computer. Keine Herausforderung für ein so gutes Sinnesorgan wie unsere Haut. Deshalb sagt Martin Grunwald: “Kinder müssen wieder mehr raus gehen. Sie sollen die Welt mit den Händen erleben und nicht nur vor dem Fernseher sitzen.”

Text und Bild: Philipp Brandstädter,
zunächst erschienen über dpa Nachrichten für Kinder, Juni 2014

Quellen:

Zusammenhänge zwischen Gehirn und Tastsinn

Über den Tastsinn

Das Gleichgewicht schwindelt

Traue deinen Augen nicht

Training für den Kopf

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