Alexandra Bloch

Wildnis schützt Wald vor dem verfressenen Borkenkäfer

Der Borkenkäfer hat Appetit auf Holz und frisst sich durch die Baumrinden. Das kleine Insekt kann in großer Zahl ganze Wälder zerstören. Deshalb muss man den Schädling bekämpfen. Oder doch nicht?

Eine junge Frau stapft durch den Wald. Sie trägt eine hellbraune Uniform und versteckt ihre pink gefärbten Strähnen im Haar unter einem Cowboy-Hut. Das ist Alexandra Bloch. Sie ist Rangerin in einem Nationalpark. So nennt man ein Gebiet, in dem sich Natur frei entfalten kann. Wenn Alex Bloch keine Schulklassen durch den Park führt, dann kontrolliert sie, wie es dort so um die Pflanzen und Tiere steht. Dann schaut sie zum Beispiel nach, was die Borkenkäfer in den Bäumen anstellen.

Der Borkenkäfer ist ein kleines braunes Insekt, das in großer Zahl großen Schaden im Wald anrichten kann. Die männlichen Käfer fressen sich nämlich in die Rinde der Bäume hinein und bauen dort kleine Höhlen: die so genannten Rammel-Kammern. Dort legt das Käfer-Weibchen seine Eier hinein.

Larven fressen Gänge

Die daraus geschlüpften Larven fressen sich dann im Baum satt. Dabei fressen sie lange Gänge durch den Bast. Das ist das Holz hinter der Rinde eines Baumes. Durch den Bast leitet der Baum das Wasser aus seinen Wurzeln hinauf in die Blätter. Doch wenn diese Wasserleitung von Larven zerfressen ist, können keine Nährstoffe mehr in die Baumkrone gelangen. Und der Baum droht abzusterben.

„Zuerst schaue ich mir von weitem an, welchen Eindruck ein Baum macht“, erklärt Alex Bloch. Wenn einer einen schwachen Eindruck macht und seine Zweige hängen lässt, dann nimmt ihn die Rangerin genauer unter die Lupe. Liegt Bohrmehl auf den Schuppen der Rinde und auf dem Boden herum? Glitzern Harztropfen am Stamm? Dann könnte das ein Zeichen dafür sein, dass sich Borkenkäfer in den Baum hinein geknabbert haben.

Ein gesunder Baum bildet für gewöhnlich genug klebriges Harz, um sich gegen Eindringlinge zu wehren. Doch wenn ein Baum geschwächt ist, kann sich so manches Ungeziefer ungestört durch das Holz fressen. Borkenkäfer suchen deshalb kranke oder absterbende Bäume und nutzen sie als Brutstätte. Manchmal gibt es viele kranke Bäume an einem Ort. Zum Beispiel, weil ein heftiger Sturm gewütet und die Bäume beschädigt hat. Dann kann sich der Borkenkäfer in großer Anzahl über die Bäume hermachen. Und so einen ganzen Wald zerstören.

Problem im Wirtschaftswald

Für die Förster und die Leute, die mit Holz Geschäfte machen, ist der Käfer ein Riesenproblem. Fachleute versuchen deshalb, rasch zu erkennen, ob ein Baum von den Larven des Borkenkäfers befallen ist. Dann wird der Baum sofort gefällt und seine Rinde entfernt. So kann sich das hungrige Insekt nicht weiter ausbreiten.

Alex Bloch hingegen findet den Borkenkäfer gut. Sie sagt: „Für die Wirtschaft ist der Käfer natürlich eine Gefahr. Aber nicht für den Wald.“ Es gehöre eben dazu, dass im Wald auch Bäume sterben. „Leben heißt Vergehen.“ In Teilen des Nationalparks, in dem Alex Bloch arbeitet, darf der Borkenkäfer darum so viel fressen, wie er will. Dort gibt es Waldstücke, in dem sich die Natur entwickeln soll. Ohne, dass der Mensch dabei eingreift.

So hat man in einem Nationalpark schon über viele Jahre beobachtet, was nach einem Schädlings-Befall geschehen kann: In einem Waldstück mit lauter zerfressenen und abgestorbenen Bäumen wurde es zunächst heller. Die Bäume hatten schließlich keine Schatten spendenden Kronen mehr. Auf der Lichtung begannen Rebhühner zu brüten. Außerdem erwärmte sich ein Bach durch das Sonnenlicht. Dadurch konnten mehr Nährstoffe ins Wasser gelangen, wodurch einige Pflanzen besser wachsen konnten. Auch die Forellen wurden größer und dicker. Was wiederum mehr Fischotter anlockte. Die Ursache, dass ein paar Bäume abgestorben sind, hat also eine große Wirkung nach sich gezogen.

„So ein kleiner gefräßiger Käfer bringt ganz schön Bewegung in unseren Natur-Kreislauf“, sagt Alex Bloch. Aber das darf er nur dort, wo der Mensch nicht auf das Holz der Bäume angewiesen ist. Deshalb ist es auch die Aufgabe der Rangerin, am Rand des Nationalparks Bäume zu fällen. Damit sich die unberührte Natur auch nur dort entfaltet, wo sie sich entfalten soll. Und der hungrige Borkenkäfer keinen Schaden für die Menschen anrichtet.

Wildnis, was ist das?

Unter Wildnis versteht man weiträumige, vom Menschen unberührte Natur. Von der soll es auch in Deutschland bald mehr geben. Deshalb hat die Regierung schon vor Jahren beschlossen: Zwei Prozent des Landes sollen sich ungestört entwickeln können. Das ist eine Fläche, die etwa halb so groß ist wie das Bundesland Thüringen. Wildnis soll sich zum Beispiel in Nationalparks, in Mooren und auf alten Truppenübungsplätzen entfalten. Aber wofür soll das eigentlich gut sein?

„Wir wollen lernen, von der Wildnis zu lernen“, sagt Elsa Nickel. Sie leitet die Naturschutz-Abteilung im Bundesumweltministerium. Die Politikerin meint damit: Wir wollen verstehen, wie sich die Natur entwickelt. Etwa, wenn es eine Überschwemmung gegeben hat, einen Sturm oder wenn der Borkenkäfer im Wald wütet. In der Wildnis könne man beobachten, wie sich die Natur an die Bedingungen der Umwelt anpasst. Außerdem sei mehr Natur gut für das Klima und die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren. Und nicht zuletzt tut sie auch uns Menschen gut, wenn wir ein bisschen Erholung brauchen.

Text und Foto: Philipp Brandstädter,
zunächst erschienen über dpa Nachrichten für Kinder, August 2016

Quellen:

Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Wildnis in Deutschland

Borkenkäfer

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