Prothese

Die bionische Hand

Bertolt Meyer ist ohne linken Unterarm auf die Welt gekommen. Seit er denken kann, ersetzen Prothesen seine fehlende Hand. Durch den technischen Fortschritt in der Medizin kommt der Mann gut im Alltag zurecht.

Wenn Bertolt Meyer Spaghetti kocht, könnte er die Nudeln mit seinen Fingern aus dem kochenden Wasser holen. Er würde sich dabei nicht verbrennen. Er könnte auch eine Schraube in ein Gewinde drehen, ohne mit der Hand umzugreifen. Sein Handgelenk würde sich einfach drehen und drehen und drehen. Die linke Hand von Bertolt ist nämlich keine gewöhnliche Hand. Sie ist bionisch.

Bionik ist ein Bereich der Wissenschaft. Dort schaut sich die Technik etwas von der Natur ab. Das soll heißen: Bertolt hat hochmoderne Technik an seinem Arm. Er besitzt eine metallene Roboter-Hand mit Elektro-Motoren. Die steckt unter einer durchsichtigen Gummihaut. Bertolt ist ohne linken Unterarm auf die Welt gekommen. Sein Leben lang haben so genannte Prothesen seine Hand ersetzt. Zuerst waren es Haken oder Hände aus Gummi. Doch die bionische Hand, die Bertolt jetzt besitzt, kann viel mehr.

Mit seinen Muskeln am Oberarm kann Bertolt die bionische Prothese steuern. Spannt er den Arm an, so schließt sich die Hand zum Beispiel. So kann Bertolt Gegenstände greifen. „Das war gar nicht so einfach, meine Muskeln am linken Arm für die Hand zu benutzen“, sagt Bertolt. „Schließlich habe ich die Muskeln vorher nicht gebraucht.“ Da müsse man erst viel üben. Doch irgendwann funktioniere das wie von selbst, erklärt Bertolt. Ein bisschen so, wie wenn man lernt, mit den Ohren zu wackeln.

Durch Muskelkraft Programme steuern

Durch Muskelkraft und Programme in der bionischen Hand kann Bertolt alle fünf Finger bewegen. Das macht seinen Alltag natürlich viel leichter. Bertolt kann Auto fahren, sich die Schuhe zubinden, oder eine Tasse halten – ohne Angst zu haben, sie könnte abrutschen und zu Boden fallen.

Natürlich kann Bertolts Prothese keinen echten Arm ersetzen. So kann er zum Beispiel nicht klettern gehen oder schwere Sachen tragen. Die Prothese ist schließlich nicht fest mit Bertolt verbunden. Sie würde abrutschen. Trotzdem ist Bertolt unheimlich froh über die Fortschritte in der Technik. Etwa auch darüber, dass er mit seinem bionischen Zeigefinger jetzt auch sein Smartphone bedienen kann.

Das Beste an der künstlichen Hand ist aber: „Ich schäme mich nicht mehr für sie“, sagt Bertolt. „Früher wurde ich oft bemitleidet. Das war blöd. Ich bin schließlich nicht krank. Mir fehlt bloß ein Stück.“ Wegen der Blicke der Leute hat Bertolt seine Prothese früher lieber versteckt. Das tut er heute nicht mehr. „Die meisten Leute sind neugierig und fragen, was diese Technik alles kann. Seitdem ich die bionische Hand trage, ist mir meine Behinderung nicht mehr unangenehm.“

Mediziner ersetzen Arme und Beine

Seit Jahrhunderten fertigen Menschen Prothesen an, um etwa fehlende Arme und Beine zu ersetzen. Dabei fragen sich Forscher stets: Was muss so eine Prothese alles können? Und kann moderne Technik diese Aufgaben erfüllen?

Wir kennen das heute nur noch aus Piraten-Geschichten: Früher bekamen manche Leute ein Holzbein verpasst. Mit dem konnte man immerhin aufrecht stehen. Andere hatten einen Haken anstelle einer Hand. Dann wurden die Prothesen ausgefeilter. „Mechanische Kniegelenke etwa machten eine Beinprothese schon eher zu einem richtigen Bein“, erklärt Sebastian Wolf. Er forscht auf dem Gebiet der Prothesen. Später sollten kleine Motoren die Muskelkraft ersetzen – und empfindliche Computerchips das Feingefühl. „In der Prothesen-Forschung will man einen Ersatz entwickeln, der sich immer mehr wie ein echtes Körperteil anfühlt.“

Heutzutage können Prothesen vollgepackt mit Elektro-Technik oder aus modernen Stoffen angefertigt sein. Im Sport kann man inzwischen beobachten, dass bestimmte Bein-Prothesen sogar besser funktionieren als echte Beine. „Mit manchen Modellen kann man besser springen, mit manchen schneller rennen“, sagt der Fachmann. „Dafür kann man auf ihnen nicht sicher stehen. Bisher kann noch keine Prothese ein Bein oder einen Arm umfassend ersetzen.“

Bertolt Meyer (Foto: Philipp Brandstädter)

Text und Bilder: Philipp Brandstädter,
zunächst erschienen über dpa Nachrichten für Kinder, Februar 2016

Quelle:

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