Darf es etwas Moor sein?

Darf es etwas Moor sein?

erschienen in Respekt, dem Nachhaltigkeitsmagazin von GEO und toom, 2022

Wer Blumenerde mit Torf nutzt, trägt dazu bei, dass Moore austrocknen. Die Feuchtgebiete brauchen wir nicht? Im Gegenteil: Sie sind ein wichtiges Element
im Kampf gegen den Klimawandel.

Eigentlich bin ich selbst schuld. Aber ein bisschen lag’s auch am Wetter. Denn wäre es über die Feiertage nicht so ungewöhnlich warm gewesen, hätte es uns auch nicht so lange im Garten gehalten. Die lieben Eltern plauderten mit den lieben Nachbarn über diese paar prächtig gewachsenen Bäumchen und jene zu frisierende Hecke. Und kaum hatte ich mich höflich interessiert an den Fachsimpeleien beteiligt, gaben mir die Gartenprofis auch schon eine gefühlte Schubkarre Wunderdünger, Ableger, Saatgut und vor allem nützliche Tipps mit auf den Heimbalkon.

Einen Hinweis gabs von Frau Nachbarin noch oben drauf: Ich möge doch bitte torffreie Erde kaufen. Das verstehe sich doch von selbst, log ich zurück.

Zugegeben: Über Blumenerde habe ich mir bislang noch nicht ganz so oft den Kopf zermartert. Aber das riesige Angebot an Möglichkeiten ist schon erstaunlich: Qualitätserde für Zimmer und Garten; Balkonerde für eine gesunde Wurzelbildung; Anzuchterde mit Startdünger für beste Wachstumsbedingungen; 20 Liter Rhododendron- und Hortensienerde mit Rindenhumus für die optimale Luft- und
Wasserversorgung für 8,99 Euro; 40 Liter Gemüseerde mit Bio-Siegel für eine schmackhafte und ertragreiche Ernte für 10,99 Euro – oder eben die günstigste Blumenerde, 40 Liter für 2,39 Euro, die volle Packung Torf.

Bewahrt den Torf

Als Torf bezeichnet man nicht vollständig zersetzte Pflanzenteile in Mooren. Dass Moore schützenswert sind, weiß ich immerhin schon von klein auf. Als Kind habe ich die Wanderungen durchs Schwarze Moor in der Hohen Rhön geliebt. Mucksmäuschenstill schlich ich auf den knarzenden Bohlen des Holzstegs durch diese unwirkliche Zwischenwelt, die weder Land noch Wasser zu sein schien. Ich bestaunte die kargen Bäume und Büsche, das Schilf und die Gräser, Moose und den Sonnentau – und ließ mir später von den Erwachsenen Gruselgeschichten über Hexen und Moorleichen erzählen. Geschichten, die der ständige Nebel und die geisterhafte Stille des Moors hervorbrachten, damit auch ja kein Kind vom Holzweg abkommt und versinkt.

Die Gruselgeschichte von Leuten aber, die das Jahrtausende alte Moor trockenlegen und dessen Torf abbauen, erzählte mir niemand. Wie bedroht die Feuchtgebiete und
wie wichtig sie für das Klima sind, habe ich erst sehr viel später gelernt. „Eigentlich wären heute in Deutschland fünf Prozent der Landschaft von Mooren bedeckt“, sagt Olivier Hirschler, der am Thünen-Institut in Braunschweig zu dem Thema forscht. „Doch erst hat man den Torf als Brennstoff verheizt und später die Moore trockengelegt, um mehr Fläche für die Land- und Forstwirtschaft zu gewinnen.“ Deshalb machen Moore nur noch 3,6 Prozent der Fläche Deutschlands aus.

Der bessere CO2-Speicher

Auch weltweit sind Moore in Gefahr – und das wiederum bedroht das Weltklima. Die
Feuchtgebiete speichern ein Drittel des weltweiten Kohlenstoffs, so viel wie alle Wälder der Erde zusammen. Doch nur nasse Moore können den Kohlenstoff dauerhaft im Boden binden. Baut man Torf ab, fallen Böden trocken. Und wenn sich der Kohlenstoff aus dem Boden mit dem Sauerstoff in der Luft zu CO2 verbindet, beschleunigt das den Klimawandel.

Trotzdem wird immer noch Torf abgebaut – oder gestochen, wie man es nennt. Vor allem in den baltischen Staaten. Doch auch Deutschland ist ein großer Torfproduzent.
Im Garten wird er als günstiges und verlässliches Substrat geschätzt. Herkömmliche
Blumenerde besteht oft zu 80 oder 90 Prozent aus dem Sediment. „Es speichert bestens Luft und Wasser, hat einen guten pH-Wert, ist leicht zu transportieren und enthält kaum Keime“, erklärt Experte Hirschler.

Torf – das Wundermittel? Nein, nein, er ist nicht der unersetzliche Stoff, der unsere
Pflanzen am besten wachsen lässt. Es lässt sich einfach nur gut mit ihm gärtnern. Und durch die gewohnten Routinen in Abbau, Anlieferung und Vertrieb ist der Rohstoff noch günstiger geworden. Könnten wir uns dann nicht einfach umgewöhnen? „Tatsächlich gibt es viele Alternativen für torffreie Erde auf dem Markt“, sagt Olivier Hirschler und zählt etliche Mischungen auf: Erden aus Holzfasern oder Rindenhumus, Grünschnittkompost oder Kokosmark, und so weiter.

Augen auf beim Erdenkauf

Die Auswahl ist gewaltig. Aber die Alternativen würden auch neue Herausforderungen mit sich bringen, so der Fachmann. Manche Pflanzen dürfte man nicht zu vielen Nährstoffen aussetzen, andere müsse man etwas häufiger gießen. Das seien jedoch Feinheiten, die höchstens für professionelle Gartenbaubetriebe relevant seien.

Ich habe verstanden: Mein kleiner grüner Daumen kann Großes bewirken. Meine Blumen können besonders schön sein und ich kann gleichzeitig was Gutes für die Umwelt tun. Mit dem bisschen torffreie Erde, das ich aus dem Baumarkt nach Hause schleppe, trage ich meinen Teil dazu bei, die Feuchtgebiete dieser Welt zu schützen. Irgendwo muss man ja anfangen. Darf es etwas Moor sein? Danke, nein, lieber etwas weniger.


Text und Bild: Philipp Brandstädter

Torf und Moore schützen

Torf und Moore schützen

Nur ein paar karge Bäumchen sind zu sehen. Auch ein paar tiefschwarze Pfützen mit rotbraunen Grasbüscheln und Moosen drumherum. Der Rest wird vom dichten Nebel verschluckt, der tief über dem Boden schwebt. Eine geisterhafte Stimmung kommt hier auf. Schaurig schön. Im Schwarzen Moor ist das ganz normal. So normal ein Moor eben sein kann. Denn dieses Fleckchen Natur im Gebirge Rhön ist etwas ganz Besonderes.

Ein Moor ist eine sumpfähnliche Landschaft, die immer unter Wasser steht. Eine matschige Angelegenheit ist das. Für viele Lebewesen nicht wirklich einladend. Die Tiere, die dort leben, sollten nicht gerade wasserscheu sein. Sie müssen sich gut an die Verhältnisse im Moor anpassen können. Und die Pflanzen, die hier wachsen, wachsen langsam. Denn sie können dort weder viel Sonnenlicht noch viele Nährstoffe tanken.

Michael Dohrmann ist Fachmann für die Pflanzen und Tiere in der Gegend. Er weiß gut über das Schwarze Moor Bescheid. Herr Dohrmann hat ein paar hellgrüne Fäden in der Hand. „Das ist Torfmoos“, sagt er. „Es kann besonders gut Wasser speichern.“ Der Experte drückt das Moos in seiner Hand zusammen. Da tropft ordentlich Wasser raus. Wie aus einem Schwamm.

Was ist Torf?

Durch dieses Moos ist das Schwarze Moor entstanden. Und zwar so: Wie alle Moose hat das Torfmoos keine Wurzeln. Es wächst an seiner Spitze immer weiter, während die unteren Enden irgendwann absterben. Das abgestorbene Moos verrottet zu einem braunen Brei: dem Torf. Auf dem Torf wächst neues Moos. Und stirbt wieder ab. So entsteht eine Torfschicht über der anderen – und mit ihnen eine matschige Moor-Landschaft.

Für den Torf haben die Menschen die Moore nach und nach abgebaut. Den Torf konnten sie gut gebrauchen. Im Ofen diente er als guter Brennstoff. Heute ist er als billige Blumenerde beliebt. Manche Leute schmieren sich auch mit Torf ein oder baden darin. Das soll gut für die Haut sein.

Doch es dauert sehr lange, bis der Torf wieder neu entsteht. Das Moos im Moor kann nicht so schnell Torf herstellen, wie er von den Menschen abgebaut wird. Deshalb warnen Umweltschützer davor, Torf zu verwenden. „In tausend Jahren kommt durch das Moos gerade mal ein Meter Torf zusammen“, erklärt Michael Dohrmann.

Mythen und Märchen

Bei den Menschen waren die Moore lange Zeit unbeliebt. Landwirte können sie nicht bewirtschaften, weil der Boden viel zu nass ist. So nass, dass man im Matsch stecken bleiben kann. Und wegen dem Nebel kann man sich leicht verlaufen. Erst spät hat man festgestellt, dass ein Moor wichtig für die Umwelt ist. Zum Beispiel, weil es so viel Wasser speichern kann. Und weil hier seltene Pflanzen und Tiere leben.

Weil die Moore so wundersam sind, gibt es viele Sagen über sie. „Wenn ein Bauer mal wieder mit seinem Ochsenkarren im Moor stecken geblieben ist, dann hatte der oft viel Zeit, sich gruselige Geschichten auszudenken“, erzählt Michael Dohrmann. Von den Spukgeschichten kennt er eine Menge. Von Gespenstern und unerklärlichen Unglücken. Sogar ein ganzes Dorf soll vor vielen Jahren im Schwarzen Moor versunken sein.

Aber kann man denn überhaupt im Moor versinken? „Das ist ein Märchen“, sagt Michael Dohrmann. „Bis zur Brust kann man im Schlamm versinken. Dann steckt man immerhin so tief fest, dass man sich alleine kaum noch herausziehen kann.“

Das liegt daran, dass der Matsch im Moor eine größere Dichte hat als unser Körper. Wie ein Korken im Wasser würden wir eintauchen und dann an die Oberfläche gedrückt werden. Wir können also unmöglich in zähen Flüssigkeiten versinken, die eine höhere Dichte haben als unser Körper. Weder im Moormatsch, noch im Treibsand – und auch nicht in einem Schwimmbecken voller Schokopudding.

Moore schützen

Über die Jahrhunderte sind immer mehr Moore verschwunden. Erst wurden sie extra ausgetrocknet, um den Torf zu gewinnen oder die Flächen für die Landwirtschaft zu nutzen. Heute vertrocknen die Feuchtgebiete auch, weil wir häufiger Dürren erleben.

Wenn die Moore vertrocknen, setzen sie das CO2 frei, das sie gespeichert haben. Die wollen Naturschütze die Moore, die ausgetrocknet wurden, wieder vernässen. Das funktioniert, indem man zum Beispiel Gräben verschließt oder Dämme baut, damit das Wasser nicht entweichen kann.

Durch das Wasser können die Moore wieder wachsen – und dadurch mehr CO2 speichern. Außerdem bieten die Feuchtgebiete auch Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere. Dazu gehören seltene Vogelarten.

Hungrige Pflanze

Neben dem Torfmoos hat sich zum Beispiel noch eine ganz besondere Pflanze im Schwarzen Moor ausgebreitet: der Sonnentau. Der ist nicht nur schön anzusehen, sondern auch richtig unheimlich. Denn weil die Pflanze kaum Nährstoffe aus dem Boden saugen kann, hat sie eine andere Strategie entwickelt. Der Sonnentau frisst Tiere!

An seinen kleinen rötlichen Blättern bildet der Sonnentau ein klebriges Sekret. Das sieht aus wie ganz viele Regentropfen. Wie Tau eben. Für durstige Käfer oder Fliegen sind diese Tropfen sehr verlockend. Doch wenn ein Insekt auf dem Sonnentau landet, dann ist es verloren. Es bleibt an den Tropfen kleben und kommt nicht mehr weg. Das Tier sitzt in der Falle.

Nun kann die fleischfressende Pflanze ihre Beute in aller Ruhe auflösen. Als nährstoffreichen Brei saugt der Sonnentau dann das gefangene Tier in sich auf. Vom Insekt bleibt nur die harte Hülle zurück. So tankt die Pflanze die Energie, die sie zum Überleben braucht.

Auf dem Steg

Die Besucher des Schwarzen Moors spazieren auf einem stabilen Steg aus Holzbrettern entlang. „Sich ordentlich schmutzig machen und in Panik geraten, das kann schon mal passieren“, sagt Michael Dohrmann. „So tief untergehen, dass man komplett im Moor verschwindet, ist jedoch unmöglich.“

Trotz aller Gruselgeschichten: Im Schwarzen Moor ist kein Dorf versunken. Und mit ihm auch keine Dorfbewohner, die heute als Gespenster ihr Unwesen treiben. Zwar sieht das Moor im Nebel mit seiner kargen Landschaft, den Torftümpeln und den merkwürdigen Pflanzen ein bisschen unheimlich aus. Aber es steckt dennoch voller Leben. Darum wollen Umweltschützer die Moore so lange wie möglich erhalten.

Text und Bild: Philipp Brandstädter,
zunächst erschienen über dpa Nachrichten für Kinder, September 2014

Quellen:

NABU über Moore