Unsere teuren Begleiter

Unsere teuren Begleiter

erschienen in der taz, die Tageszeitung, am 11. November 2023

Wenn das geliebte Haustier zum Arzt muss, kann es schnell teuer werden. Und die Kosten steigen immer weiter. Wie viel ist uns ein Tierleben wert?

Sunny war auch schon mal besser drauf. Seit einer Weile frisst sie nicht mehr gut und hat deutlich abgenommen. Ihre hellgrünen Augen sind so wach wie immer, auch das getigerte Fell glänzt, aber ihr Wesen hat sich verändert. Sunny zieht sich nun öfter mal zurück. Außerdem spart sie sich immer häufiger ihre „Zoomies“, diese fünf Minuten, in denen sie wie angestochen durch die Wohnung jagt.

Bald zehn Jahre schon wohnt Sunny mit Jennifer David zusammen. Und natürlich weiß David, wenn mit ihrer Katze etwas nicht stimmt. Also kommt Sandra Gütschow zum Hausbesuch nahe des Leopoldplatzes in Berlin-Wedding vorbei. Gütschow arbeitet für einen mobilen Tierarzt-Dienst in der Hauptstadt. Wollen sich Tierhaltende den Stress für sich und ihr Haustier in den Wartezimmern der Praxen sparen, rufen sie Gütschow und KollegInnen. Die fahren dann für Untersuchungen, Behandlungen, Impfungen und sogar für kleinere Operationen wie Kastrationen von Haus zu Haus.

Sandra Gütschow untersucht Sunny auf Jennifer Davids Wohnzimmertisch und ertastet bei der Katze etwas im Bauch, das ihr nicht gefällt. „Könnte auch nur ein Haarknäuel sein“, sagt die Tierärztin, „aber das sollten wir auf jeden Fall abklären lassen.“ Erstmal Blut abnehmen, dann in einer Klinik einen Ultraschall machen, rät sie. Jennifer David stimmt sofort zu. „Na klar. Aber wie viel wird das kosten?“ Festlegen will sich Gütschow nicht, aber ein paar hundert Euro werden es sicher.

Da muss Jennifer David schlucken. 600 Euro übernimmt ihre Haustierversicherung noch für dieses Jahr. Alles darüber hinaus wird die Einzelhandelskauffrau aus eigener Tasche bezahlen müssen.

34 Millionen Haustiere

Tierarztrechnungen betreffen hierzulande fast jeden zweiten Haushalt. Nach dem letzten, durch Corona ausgelösten Haustierboom leben wir mit mehr als 34 Millionen Hunden, Katzen, Meerschweinchen, Reptilien, Fischen zusammen. Und die sind nicht gerade billig. Aktuellen Studien zufolge geben ihre BesitzerInnen rund 6,5 Milliarden Euro pro Jahr für sie aus.

Was das auf die Lebensdauer eines einzelnen Haustiers gerechnet bedeutet, hat kürzlich ein Verbraucherportal ermittelt. Schildkröten kamen mit ihrer hohen Lebenserwartung auf fast 30.000 Euro, gefolgt von Hunden mit knapp 17.000 Euro und Katzen mit etwa 10.000 Euro. Die wenigsten HalterInnen haben sich das ausgerechnet, bevor ihr Tier ins Haus kam.

Und nun sind auch noch die Kosten für den Tierarzt deutlich gestiegen. Verantwortlich dafür ist eine neue Gebührenordnung, die Ende vergangenen Jahres in Kraft getreten ist. Sie legt verbindlich fest, wie viel eine tiermedizinische Behandlung kosten darf, nach Art der Untersuchung, Zeitaufwand, Schwierigkeit des Eingriffs und Spezialisierung der Praxen und Kliniken.

Zum ersten Mal seit über 20 Jahren wurden die Kosten neu ermittelt. In dieser Zeit hat sich die Veterinärmedizin den Standards der Humanmedizin angenähert. Es gibt bessere Medikamente, bessere Geräte, Chemotherapien für krebskranke Katzen und minimalinvasive Bandscheiben-OPs für Zwergdackel. Selbst Kaninchen werden ins MRT geschickt oder digital geröntgt. Natürlich sind die Behandlungskosten dabei gestiegen, teilweise um den doppelten und dreifachen Satz. Aber eine Hunde-OP für 2.500 Euro muss man sich erst mal leisten können, und wenn ein Tier lange in Behandlung bleiben muss, kann es noch teurer werden.

Was kostet Liebe?

Was ist uns so ein Tierleben eigentlich wert, wenn uns das Tier ans Herz gewachsen ist? Und warum hegen und pflegen wir manche Tiere wie unsere nächsten Angehörigen, während wir andere nur als ein Produkt betrachten?

Katze Sunny ist von Tierärztin Sandra Gütschow inzwischen in einen neongrünen Katzensack gepackt worden. Ein Katzengesicht mit weißer Nase und weißem Latz schaut aus dem einen Ende der Zwangsjacke, aus dem anderen Ende der getigerte Schwanz. So sitzt Sunny als kratz-, beiß- und fluchteingeschränktes Katzenpaket auf dem Wohnzimmertisch. Nur ein leises Knurren und ein halbes Fauchen bleiben ihr, man kann es Sunny nicht verübeln.

Jennifer David streichelt Sunnys Kopf, versucht ihre Katze und sich selbst zu beruhigen. Die Tierärztin rasiert an Sunnys linkem Vorderbein eine Vene frei. Die Nadel sitzt. Ein paar dicke Tropfen Katzenblut rinnen in ein Fläschchen. Dann öffnet Sandra Gütschow die Klettverschlüsse, Sunny flieht nörgelnd vom Tisch und schüttelt ihr Bein aus. Fürs Erste hat sie es überstanden, Jennifer David ist erleichtert.

In ihrem Auto tippt Tierärztin Gütschow einen Bericht in ihr Smartphone und schickt über die App des mobilen Tierarztdienstes die Rechnung an Jennifer David raus. Dann checkt sie ihre nächsten Termine. „Der Hund, der im Wartezimmer zu viel Angst hat, oder die Katze, die in der Box rebelliert, das sind unsere typischen Patienten“, sagt Gütschow. Als nächstes steht die Grund­immunisierung zweier Katzenwelpen an. Einer der angenehmen Hausbesuche. „Einmal Impfen und Geschlechter bestimmen, dann kann sich das Frauchen schon mal passende Namen aussuchen“, sagt sie, gibt die Adresse ins Navi ein und startet den Motor.

Nicht nur ein Traumjob

Sandra Gütschow liebt ihren Job, die Nähe zu den Tieren, den Kontakt mit den Menschen. Vor dem mobilen Dienst in Berlin hatte sie schon ein paar Jahre in einer Praxis in Sachsen-Anhalt gearbeitet. Der Praxisalltag war stressiger, vor allem dann, wenn das Wartezimmer voll war, aber zu wenig Personal im Dienst. „Im mobilen Dienst ist das etwas entspannter“, sagt sie. „Die Patienten wissen, wann sie dran sind. Außerdem kommen keine absoluten Notfälle dazwischen.“ Eine Operation an einem verletzten Tier, bei dem jede Sekunde zählt, ist nach wie vor ein Fall für die Klinik.

Die Klein- und Heimtierklinik der Freien Universität Berlin ist in einem grün-weißen Flachbauklotz untergebracht. Die FU bildet hier Studierende der Veterinärmedizin aus und forscht. Und natürlich werden auch Hunde und Katzen behandelt, außerdem Kleinsäuger wie Hamster und Ratten, Vögel, Reptilien und Wildtiere. „Den wenigsten Leuten ist klar, was die Behandlungen mit Arbeitszeit, Geräten, Material und Medikamenten kosten“, sagt Barbara Kohn, selber Tierärztin und geschäftsführende Direktorin der Klein- und Heimtierklinik.

Wenn wir selbst zum Arzt gehen, sehen wir die Kosten in der Regel nicht. Wir geben unsere Gesundheitskarte ab, den Rest regeln die gesetzlichen Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung unter sich. Wie viel kosten eine Impfung, eine Zahnfüllung, ein EKG oder eine Operation? Auf der Tierarztrechnung wird so etwas sofort klar: Allgemeiner Check 50 Euro, Blutbild 70 Euro, Ultraschall bis zu 170 Euro, Kastration Kater 200 Euro, Sterilisation Hündin 1.000 Euro. Kreuzband­riss-OP inklusive Inhalationsnarkose, Material und Medikamente: 1.500 bis 4.000 Euro. Da kann es schnell passieren, dass Herrchen oder Frauchen an ihre finanziellen Grenzen kommen.

Gebührenordnung überfällig

„Für die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen war die neue Gebührenordnung überlebenswichtig“, sagt Barbara Kohn. Schließlich müsse es TiermedizinerInnen in privaten Praxen gelingen, dass es nicht nur den Tieren gut geht, sondern auch den Unternehmen. Viele ÄrztInnen hätten das bei den alten Gebühren nicht mehr länger stemmen können.

Insbesondere in ländlichen Regionen hängt eine Praxis oft an einer einzelnen Person. Die Einnahmen reichen nicht für zusätzliches Personal, was einen 24-Stunden-Dienst unmöglich macht. Dann überarbeiten sich manche private TierärztInnen, um ihren Betrieb zu erhalten. Oder sie machen ihre Praxis dicht oder verkaufen sie an eine Tierarztkette, die mehr Finanzkraft hat.

Der Beruf des Tierarztes ist nicht nur ein Traumjob, er ist auch ziemlich hart. Wer ihn machen will, braucht ein hervorragendes Abitur oder viele Wartesemester. Nach mindestens elf Semestern an der Uni geht es dann in die Praxis. Das Bruttoeinstiegsgehalt ist mit 3.500 Euro überschaubar, alternativ bleibt gleich der riskante Gang in die Selbstständigkeit.

Höhste Selbstmordrate

In beiden Fällen hinzu kommen Überstunden und die nicht zu unterschätzende emotionale Belastung, für Tier und Mensch verantwortlich zu sein. „Hinter jedem Tier steht ein Mensch“, sagt Klinikdirektorin Barbara Kohn. „Sie hängen an ihren Tieren, machen sich Sorgen, müssen beruhigt werden, brauchen Rat oder auch Beistand.“

Tiermedizin ist gleichzeitig Seelsorge. Manchmal müssen MedizinerInnen und Tierhaltende gemeinsam abwägen, welche Behandlungen überhaupt Sinn machen. Manchmal sind Tiere, die sich über die Jahre in nahezu gleichwertige Familienmitglieder verwandelt haben, nicht mehr zu retten. Internationale Studien kommen zu dem Ergebnis, dass VeterinärmedizinerInnen ein doppelt so hohes Suizidrisiko wie ÄrztInnen haben und ein viermal so hohes wie die Allgemeinbevölkerung.

In einer großen Klinik hingegen gibt es auch ruhigere Tage. Die Technik und die Medikamente stehen bereit, ebenso deutlich mehr Fachkräfte. So können Dr. Kohn und ihre KollegInnen auch mehr Zeit in die Vorsorge investieren, wenn sich das die Tierhaltenden wünschen.

Die Ohren krabbeln

Kao Drozd kommt mit seinen drei Berner-Sennenhund-Retriever-Mischlingen regelmäßig zum Routinecheck. Der Mann wartet im Behandlungszimmer auf einem Stuhl am Fenster. Hündin Moria hat sich schon brav auf den Tisch gelegt, sie kennt den Ablauf. Ihre Kinder Schaschlik und Blitzie, auch schon längst erwachsen, spazieren neugierig durch den Raum. Dieses Mal ist Drozd mit ihnen hier, weil ihm aufgefallen ist, dass sie sich seit dem Toskana­urlaub häufiger an den Ohren kratzen als sonst.

Barbara Kohn tastet Morias Ohrmuscheln ab und sammelt mit einem Stäbchen ein bisschen Ohrenschmalz. Eine Kollegin verschwindet mit den Abstrichen ins Labor. Dort fixiert sie die Proben auf einem Träger, färbt sie ein und untersucht sie unter dem Mikroskop. „Nichts Ernstes“, sagt sie, „aber in den Ohren reichlich Malassezia.“ Hefepilze. Die können sich gut bei Wärme und Feuchtigkeit ausbreiten, wie bei einem Urlaub am Mittelmeer.

Die Tierärztin checkt die Impfpässe und klärt Drozd über die zuletzt angestiegenen Babesiose-Fälle im Raum Berlin auf. Die auch als Hundemalaria bekannte Krankheit wird durch die Bunt- und Wiesenzecke übertragen. Nach jedem Ausflug ins Grüne müssen die Drei unbedingt auf Zecken untersucht und mit Medikamenten zum Einnehmen oder Auftragen geschützt werden, klärt sie ihr Herrchen auf. Dann geht es zum Ultraschall. Schaschliks kleine Zyste sieht weiterhin unbedenklich aus. Der Rüde winselt, der Arztbesuch mit dem ständigen Stillhalten wird ihm langsam zu viel.

Kao Drozd vergräbt sein Gesicht in Schaschliks Fell, Mensch und Hund schließen die Augen und atmen tief durch.

Nach einer knappen Dreiviertelstunde ist die Rundumversorgung abgeschlossen. Die Tierärztin belohnt die Hunde mit ein paar Leckerlis, schon ist die Stimmung wieder bestens. „Ist das nicht ein toller Beruf?“, fragt sie schmunzelnd in den Raum.

Manchmal fehlt das Geld

Zwei-, dreimal im Jahr kommt Kao Drozd mit seinen Hunden in der Tierklinik der FU vorbei. „Für Tierarztbesuche zahle ich über 1.000 Euro im Jahr“, sagt er. „Aber das ist es wert, Frau Kohn und ihr Team kümmern sich um alles.“ Sowieso sind ihm die drei Hunde viel wert: Sie bekommen hypoallergenes Diätfutter, weil sie rotes Fleisch nicht gut vertragen. Natürlich geht das ins Geld. Dazu die Steuern, der Tierarzt, ab und zu Spielsachen. „Man muss finanziell gut aufgestellt sein, wenn man drei große Hunde hat“, sagt Kao. „Aber die drei sind wie unsere Kinder, wir tun alles für sie.“

In Kürze ziehen er und sein Partner sogar für sie um. Genauer gesagt für Moria, die Hundemama, weil die mit ihren zwölf Jahren zunehmend schwerer in den fünften Stock der gemeinsamen Altbauwohnung in Berlin-Kreuzberg kommt. Also haben ihre beiden Herrchen entschlossen, ein Haus in Bestensee zu kaufen, wo es viel mehr Platz und weniger Stufen gibt.

„Geld spielt keine Rolle, wenn es um meine Katzen geht“, sagt auch Jennifer David aus dem Wedding. Sunny ist ganz auf ihr Frauchen fixiert. Sie war eine Problemkatze, zu früh von der Mutter weg, das Immunsystem vom Katzenschnupfen angegriffen. Jennifer David hat sich um Sunny gekümmert – und Sunny wusste das immer zu schätzen. Ist Frauchen zu Hause, weicht ihr die Katze nicht von der Seite. Nicht einmal in der Küche beim Zwiebeln schneiden, wenn Sunny ihre Zuneigung mit zusammengekniffenen Augen zeigen muss.

Die OP geht am meisten ins Geld

In anderen Fällen fehlt das Geld aber eben doch. Sandra Gütschow und ihre KollegInnen müssen häufiger mit den TierhalterInnen besprechen, welche der vielen zur Verfügung stehenden Behandlungen sich diese überhaupt leisten können. Einmal Krallen kürzen, eine Beratung oder eine Impfung, das geht noch nicht so sehr ins Geld. Bluttests sind durch die gestiegenen Laborkosten schon problematischer. Und was, wenn ein Tier operiert werden oder viele Tage in Intensivpflege gehen muss?

Eine OP sei deshalb so teuer, weil das Tier nicht wie früher einfach festgeschnallt und betäubt, sondern von einer zusätzlichen Fachkraft intubiert und per EKG überwacht wird. In einer Klinik operieren auch mal zwei ChirurgInnen zeitgleich am selben Tier. Sie verwenden Instrumente, verbrauchen Medikamente – ganz zu schweigen von der Materialschlacht an sterilen Einwegartikeln: Kittel, Handschuhe, Maske. Die Rechnung für alles ist am Ende schnell vierstellig.

Der Bund angestellter Tierärzte – und mit ihm die gesamte Heimtierindustrie – rät zu Haustierversicherungen. Deren Kosten hängen oft von Alter, Rasse und der Haltung des Tieres ab. Freigängerkatzen werden teurer versichert als Stubentiger. Qualzuchten wie Mops und Bulldogge oder Reinrassen wie Labrador kosten mehr, weil sie im Durchschnitt häufiger zum Tierarzt müssen. Es gibt teure Versicherungen mit Krankenvollschutz, die Operationen, Diagnostiken und Nachbehandlungen mit einschließen. Eine jüngere Katze kann dann um die 130 Euro Versicherung im Jahr kosten, ein alter Hund über 1.000 Euro. Günstiger sind Versicherungen, die nur medizinisch notwendige Eingriffe abdecken. Oft müssen dann Impfungen, Chippen oder die Kastration selbst bezahlt oder eine OP anteilig übernommen werden.

In Deutschland sind dennoch nicht viel mehr als 10 Prozent der Haustiere versichert. Der Rest kommt privat für die Kosten auf. Die einen geben bald mehr Geld für ihr Tier aus als für sich selbst: gesündere Nahrung, Bekleidung und Decken ohne Giftstoffe, Besuche beim Fellstylisten, regelmäßige Sportangebote, ein größerer Käfig, eine bessere Beleuchtung für das Meerwasseraquarium, neue Kratzmöbel für das Katzenkletterzimmer, Psychotherapie für traumatisierte Hunde. Nach Feierabend noch einmal kurz in den Heimtierladen, ein kleines Geschenk mitbringen. Wie ein Spielzeug für das Kind. Nicht jeder kann sich das leisten und gibt trotzdem alles für die Tierliebe, in krassen Fällen manchmal buchstäblich sein letztes Hemd.

Unsere Beziehung zum Tier

Die besondere Beziehung zwischen dem Menschen und seinem Haustier wird schon lange von WissenschaftlerInnen untersucht. Einen Ansatz zu ihrem Ursprung lieferte der Soziobiologe Edward O. Wilson Mitte der 1980er-Jahre. In seiner Biophilie-Hypothese geht er davon aus, dass Menschen ein angeborenes Interesse an der Natur haben und eine grundlegende Verbundenheit zu allem spüren, das lebt. Der Mensch beobachtet die Natur – und achtet das Leben, zunächst.

Durch diese Verbindung sind Mensch und Wolf einst auf der Suche nach Nahrung eine Partnerschaft eingegangen, in der der Mensch die schärferen Sinne des Wolfs nutzte und der Wolf die Jagdtaktiken und den Schutz des Menschen.

Auch in der Verhaltenspsychologie wird viel darüber spekuliert, wie die unterschiedlichen Spezies über die Jahrtausende aneinander gewachsen sind. Fest steht: Die Nachfahren des Wolfes haben nicht ohne Grund Gesten, Mimik und Dutzende Wörter der Menschen zu verstehen gelernt – und wie sie uns per Hundeblick dahinschmelzen lassen. Bald hat der Hund zuverlässig das Vieh gehütet und vor Gefahren gewarnt. Mensch und Tier: eine Überlebensgemeinschaft.

Wahrscheinlich war es auch der Hund, der es dem Menschen überhaupt erst möglich gemacht hat, Siedlungen zu bauen sowie zunächst Tierzucht und später Ackerbau zu betreiben. Durch ihn konnte der Mensch dazu übergehen, Tiere nicht mehr zu jagen, sondern zu pflegen, zu züchten – und vor Raubtieren zu beschützen. Und wahrscheinlich war es auch der Umgang mit Tieren, durch den der Mensch seine sozialen Fähigkeiten geschult und verbessert hat.

Kein Siedeln ohne Hunde und Katzen

So kommt die nächste Zusammenarbeit zwischen Mensch und Tier ins Spiel. Die Geschichte der Hauskatze wird eher ein Fall der Selbstdomestizierung gewesen sein, vermutet die Wissenschaft. Das unabhängige Wesen der Katzen und unsere Akzeptanz ihrer genügsamen bis ignoranten Eigenart spricht Bände. Seit wann die Katze den Menschen als Haustier begleitet, ist noch nicht genau eingegrenzt. Doch in der Archäologie ist bekannt, dass die Tiere bereits bei der Besiedlung Zyperns vor 15.000 Jahren eine Rolle gespielt haben. Die Falbkatze war dort nicht heimisch. Und ohne die Boote der ersten Siedler wären Katzen nicht auf die Insel gelangt.

Die Katzen jagten die Schädlinge, die die Ernte in den Siedlungen ruinierten – und schlichen sich in die Herzen unserer Vorfahren. Ältere Katzen, die nicht mehr auf die Jagd gingen, wurden offenbar mit den Essensresten der Menschen gefüttert. Uralte Katzenknochen geben Hinweise darauf, dass sich die Tiere neben den Ratten und Mäusen offenbar auch viel von Hirse ernährten.

Mit der Industrialisierung kommt uns schließlich die von Wilson postulierte Verbundenheit zur Natur nach und nach abhanden. Nutztiere werden zu Produkten. Die Liebe zum Haustier aber bleibt. So gelangen Tierarten in die Wohnungen, die auch auf kleinerem Raum gehalten werden können. Hunde, Katzen – und noch ein paar, die hinter Gitter und Glas passen und hübsch anzuschauen sind. Die beobachtet, füttert und pflegt der Mensch, bis dieser eine persönliche Beziehung zu ihnen entwickelt und das niedere Wesen zum Individuum aufsteigt.

Von der Krone der Schöpfung zum Zerstörer der Welt

Trotzdem denkt der Mensch lange, er sei mehr wert. Schon im Diskurs der frühzeitlichen Philosophie erläutern die alten Denker, wie uns erst die Abgrenzung vom Tier zum Menschen macht: Aristoteles beginnt den Differentialismus, indem er Tieren die Vernunft abspricht. Später beschreibt Descartes Tiere als komplexe Automaten ohne Bewusstsein und Seele. Kant sagt, nur vernunftbegabte Wesen können auf moralisch relevante Weise geschädigt werden. Sein berühmter Imperativ, nach dem wir stets nur so handeln sollen, wie wir es auch als allgemeines Gesetz vertreten würden, ist letztlich eine versöhnende Beschwichtigung: Folglich dürfen wir Tiere deshalb nicht schlecht behandeln, weil wir selbst dadurch verrohen und Gefahr laufen, auch unsere Mitmenschen schlecht zu behandeln.

Doch dann gerät der Mensch als Maß aller Dinge auf den Prüfstand. Durch den Schaden, den er anrichtet, fällt er in seiner Moral als unmenschlicher Zerstörer der Welt ab. Währenddessen werden Tiere besser erforscht und ihre kognitiven Fähigkeiten erkannt. Tiere nutzen Werkzeuge, kommunizieren, verfügen über soziale Kompetenzen, haben Mitleid, trauern umeinander.

Der arrogante Differentialismus weicht dem Assimilationismus: Eigentlich gibt es gar keinen eindeutigen Unterschied zwischen Mensch und Tier. Philosophen des 20. und 21. Jahrhunderts wie der US-Amerikaner Tom Regan oder der Australier Peter Singer, beides Koryphäen für aufgeklärte VeganerInnen, schreiben Tieren Bedürfnisse und Rechte zu. Ein Tier, das Freude und Glück empfindet, müsse auch ein Interesse daran haben, nicht zu leiden. Damit erhält das Tier moralische Rechte, die verletzt werden, sobald der Mensch es nutzt. Für triviale Zwecke dürfe der Mensch fortan keinem Tier Leid zufügen.

Reine Willkür

Um diesem moralischen Dilemma zu entgehen, ziehen die meisten von uns eine willkürliche Grenze. Die moralischen Rechte gelten vor allem für jene Tiere, die uns nahestehen.

Indem wir zwischen Haustieren und Nutztieren unterscheiden, ist es uns möglich, das eine Tier zu essen, während wir das andere Tier streicheln. Das ist durchaus eigennützig, das Streicheln tut uns gut. Wir streicheln das Tier – und gleichzeitig unsere Seele. Durch die Berührung schütten wir Oxytocin aus. Das Kuschelhormon hält eigentlich Paare zusammen und bindet Eltern an ihr Kind. Es wirkt aber auch artübergreifend.

Flauschen wir ein warmes Fell, sinken Stress und Blutdruck. Tiere, die sich in unserer Nähe wohl fühlen, beruhigen uns. Öffnen wir daraufhin unser Herz und geben dem Tier einen Namen, gehen wir eine Beziehung aus gegenseitiger Vertrautheit, Zuneigung und Fürsorge ein. Somit könnte man auch das Haustier als Nutztier betrachten, da wir es zu Gunsten unseres Wohlbefindens halten. In Befragungen antworten Herrchen und Frauchen, ihre Tiere würden sie aktiver und geselliger machen.

Machen uns Haustiere gesund?

Gesundheitsdaten belegen, dass die Aufenthaltszeiten in Krankenhäusern von Tierhaltenden kürzer sind. Ob ein Haustier dem Menschen aber generell gut tut, ist schwierig wissenschaftlich zu erfassen. Die Untersuchungen sind Momentaufnahmen. Schließlich steht den Glücksmomenten mit dem Tier einerseits die Mühe gegenüber, dem Schützling mit seinen Bedürfnissen gerecht zu werden. Und andererseits der aufreibende Leidensweg, wenn das geliebte Haustier ernsthaft krank wird.

Ein paar Tage später ist Sunny wieder beim Tierarzt. Die Laborwerte sehen nicht gut aus, ebenso die Bilder aus dem Ultraschall. Die Tierärzte sagen, für eine genaue Diagnose müssten sie eine Gewebeprobe entnehmen. Aber alles deutet auf ein gastrointestinales malignes Lymphom hin, Lymphdrüsenkrebs, typisch bei älteren Katzen. Dann könnte man wahlweise mit Cortison behandeln oder eine Chemotherapie beginnen. Das eine verlängert das Katzenleben vielleicht um ein paar Wochen oder Monate, das andere vielleicht um ein Jahr oder mehr. Aber die 15, 16 Jahre, die eine gesunde Hauskatze im Durchschnitt alt werden kann, würde Sunny nicht erreichen.

Leben oder Leid verlängern

Jennifer David und die Fachkräfte wägen ab. Beide Parteien sprechen mal in reiner Vernunft, mal aus dem Herzen heraus. Ein Menschenleben würde man so lange wie möglich am Leben halten, ob der Mensch nun will oder nicht. Aber was ist mit dem Tier, das sachliches Eigentum und Lebenspartner gleichermaßen ist? Was ist das Beste für Sunny?

Jennifer David schaut ihrer tierischen Begleiterin in die Augen und fasst einen Entschluss. „Ich möchte das nicht. Ich kenne sie.“

Wenn Sunny nach der Operation wieder ganz die Alte gewesen wäre, hätte sie weiteren Behandlungen zugestimmt. Doch so entscheidet sie sich gegen den Eingriff und weitere Therapien.

Eine Woche nach der Diagnose wird Sunny eingeschläfert. „Vielleicht hätten wir ihr Leben ein wenig verlängert, vielleicht aber auch nur ihre Schmerzen“, sagt Jennifer David. Natürlich bricht es ihr das Herz, dass sie Sunny verloren hat. „Aber Tierliebe bedeutet auch, dein Tier nicht leiden zu lassen.“

Text und Bild: Philipp Brandstädter

Hast du Töne

Hast du Töne

Musik, Stimmen, Straßenlärm und noch mehr Geräusche. Alles, was wir hören, besteht aus unsichtbaren Wellen in der Luft. Sie heißen Schallwellen. Die kann man nicht nur übertragen, sondern auch aufnehmen und speichern.

Wenn wir die Saite einer Gitarre anschlagen, dann schwingt die Saite. Die Schwingung wird durch den Körper der Gitarre verstärkt und an die Luft weitergegeben. Über die Luft gelangen die Schwingungen dann an unser Ohr. So können wir den Ton hören. Aber eben nur so lange, wie der Ton erzeugt wird. Will man den Ton erneut hören, muss man zum Beispiel die Gitarren-Saite wieder und wieder anspielen. Oder man nimmt den Ton auf.

Wenn ein Sänger ein Lied aufnehmen will, dann geht er in ein Tonstudio. Dort gibt es lauter technische Geräte. Sie sind dafür da, Töne einzufangen, zu bearbeiten und zu speichern. Zuerst singt der Sänger in ein Mikrofon hinein. Ein Mikrofon ist so eine Art mechanisches Ohr. Es fängt die Schallwellen im Raum ein. Dann wandelt es die Schwingungen in elektrische Wellen um. Oder besser: Es erstellt eine elektrische Kopie vom Schall. Diese Kopie kann man durch ein Kabel zu allen möglichen Geräten transportieren. Und außerdem kann man sie steuern.

Vom Computer bearbeitet

Die elektrischen Wellen lassen sich mit Computer-Programmen und so genannten Mischpulten bearbeiten. Man mischt die Töne von Instrumenten und Sängern zusammen. Man kann die einen lauter und die anderen leiser machen, verändern, verschieben und übereinander legen. So entsteht ein richtiges Klang-Gebilde, ein Lied zum Beispiel. Wenn alle Instrumente gut klingen und auch der Sänger fehlerfrei gesungen hat, wird das Lied gespeichert.

Das ist heute längst nicht mehr so schwierig, wie es früher war. Zuerst hat man die Schallwellen noch mit einer Nadel in Schallplatten hinein gekratzt und wieder abgetastet. Diese Platten gingen aber beim Abspielen nach und nach kaputt. Später hat man die elektrischen Wellen mit Magneten auf Ton-Bändern festgehalten. Heute brennt ein Laser die Töne in CDs. Die spielen die Musik in besserer Qualität ab und halten länger.

Immer öfter wird Musik auch als Computer-Datei gesichert und über das Internet verschickt. Dadurch bleiben die gespeicherten Töne praktisch für die Ewigkeit erhalten. So können die Radiosender einen Song wieder und wieder abspielen, bis ihn auch in hundert Jahren noch jeder mitsingen kann.

Mikro und Lautsprecher

Mikrofone verwandeln die Töne aus der Luft in elektrische Signale. Diese können Profis dann bearbeiten, abspeichern und zu tollen Liedern zusammenbasteln. In vielen Mikrofonen ist ein kleines Häutchen eingebaut. Experten sagen zu diesem Häutchen auch Membran.

Die Schallwellen aus der Luft bringen die Membran zum Schwingen. Dadurch bewegt sich im Mikrofon ein kleiner Magnet hin und her. Dieser Magnet erzeugt nun den passenden Strom zu den Tönen. Je lauter etwa der Ton ist, der an die Membran kommt, desto mehr schwingt auch die Membran hin und her. Das Mikrofon verwandelt die Töne also genau in der Form in Strom um, wie die Membran sie auffängt.

Doch man will diese aufgenommenen Töne später auch wieder hören. Darum braucht man ein Gerät, das die elektrischen Signale wieder in Schallwellen zurück verwandelt. Das erledigt ein Lautsprecher. Der funktioniert wie ein umgedrehtes Mikrofon: Der Strom der Musik lässt eine Membran vibrieren. Diese Schwingungen breiten sich in der Luft aus – und das können wir hören.

Hoch, tief, laut und leise

Töne breiten sich also in der Luft in Form von Wellen aus. Je lauter ein Geräusch ist, desto größer sind die Schwingungen der Welle. Je leiser der Ton, desto kleiner sind sie. Die großen Schwingungen drücken stärker auf unsere Ohren als die kleinen. Manchmal ist der Schall so stark, dass wir ihn fühlen können. Wenn ein Flugzeug tief über uns vorbei fliegt oder wir an einer Baustelle vorbei laufen, dann kribbeln die Vibrationen des Schalls in unserem Bauch.

Die Wellen verändern sich auch, je nachdem wie hoch oder tief das Geräusch ist. Wenn die Wellen schnell auf und ab wandern, dann ist der Ton hoch. Bewegen sich die Wellen langsamer hoch und runter, dann ist der Ton tiefer. Die Anzahl der Schwingungen kann man messen. Die Einheit Hertz zeigt an, wie oft ein Ton pro Sekunde schwingt. Eine Hummel schlägt mit ihren Flügeln zum Beispiel etwa 130 Mal pro Sekunde. Sie summt deshalb in einer Tonhöhe von 130 Hertz. Eine Mücke schlägt beim Fliegen viel schneller mit den Flügeln. Nämlich bis zu 300 Mal pro Sekunde. Deshalb klingt ihr Summen auch viel höher als das von der Hummel.

Text und Foto: Philipp Brandstädterzunächst erschienen über dpa Nachrichten für Kinder, Juni 2013

Kinder, wie die Zeit vergeht

Kinder, wie die Zeit vergeht

Mal scheint sie schnell zu vergehen, mal so gut wie gar nicht. Die Zeit fühlt sich für uns immer ein bisschen anders an. Aber woran liegt das? Zeitforscher beschäftigen sich damit, wie und warum wir die Zeit so unterschiedlich wahrnehmen.

Eine Minute kann sich wie eine Sekunde anfühlen. Das weiß jeder, der mal noch gaaanz kurz dösen will, nachdem der Wecker bereits geklingelt hat. Eine Minute kann aber auch unheimlich lange dauern. Zum Beispiel, wenn man versucht, eine Minute die Luft anzuhalten. Mal denkt man sich: Wie lange dauert das denn noch. Oder man schaut auf die Uhr und wundert sich, dass die Zeit wie im Flug vergangen ist.

Der Zeitforscher Dietrich Henckel weiß, warum. Er sagt: „Wir messen die Zeit ständig mit Uhren und Kalendern. Doch wir selbst sind nicht besonders gut darin, die Zeit richtig zu erfassen.“ Dazu brauche man nur einmal die Augen zu schließen und zu versuchen, eine Minute abzuzählen. Dabei könne man sich manchmal ganz schön täuschen. „Wie die Zeit tatsächlich vergeht, ist uns selten so richtig bewusst“, sagt Dietrich Henckel.

Denn Zeit ist nicht gleich Zeit. Einerseits gibt die Zeit der Natur, nach der wir uns richten. Damit ist Tag und Nacht gemeint. Aber auch der Wechsel von Vollmond zu Neumond oder die vier Jahreszeiten. Andererseits hat jeder sein eigenes Zeitgefühl. „Wie lang sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft anfühlt, ist für jeden Menschen und zu verschiedenen Zeiten ganz unterschiedlich“, sagt der Fachmann.

Kurze und lange fünf Minuten

Das hängt zum Beispiel davon ab, wie wir die Gegenwart erleben. Ob wir Freizeit haben oder arbeiten müssen. Ob wir Freude dabei haben oder nicht. Und ob wir die Zeit allein oder mit Freunden verbringen. Meist vergeht die Zeit mit anderen Menschen gefühlt schneller. Doch mit anderen muss man die Zeit auch miteinander in Einklang bringen. Wir verabreden und treffen uns zu bestimmten Zeiten, warten aufeinander, oder müssen uns zeitiger wieder verabschieden.

Im Nachhinein fühlt sich die vergangene Zeit auch wieder unterschiedlich an. „Zeiten, in denen wenig bis gar nichts Spannendes passiert, schrumpfen in unserer Erinnerung und wirken ganz kurz“, erklärt Dietrich Henckel. Die fünf Minuten, die wir heute auf den Bus gewartet haben und sich wie eine halbe Ewigkeit angefühlt haben, haben wir morgen schon so gut wie vergessen. Forscher sprechen dabei vom Zeit-Paradoxon. Je mehr Eindrücke wir in einer Zeitspanne erleben, desto länger kommt uns die Zeit rückblickend vor.

Für Kinder kürzer

Auch Kinder und Erwachsene erleben die Zeit unterschiedlich. „Für einen alten Menschen sind zwei Jahre vielleicht nicht sehr viel“, sagt der Forscher. „Doch für ein Kleinkind entspricht dieselbe Zeitdauer die Hälfte seines bisherigen Lebens.“ Ein Kind sammelt in dieser Zeit im Verhältnis viel mehr neue Erfahrungen als ein Erwachsener das tut. „Und so erscheinen Kindern etwa die sechs Wochen Sommerferien zunächst als unheimlich langer Zeitraum“, erklärt der Fachmann. „Für die Erwachsenen hingegen sind die eineinhalb Monate nichts besonderes.“

Deshalb bleibt uns nichts anderes übrig, als die Zeit so zu nehmen, wie sie eben ist, sagt der Fachmann. „Wir wissen, dass schöne Zeit schneller vergeht als nicht so schöne. Anhalten oder vorstellen können wir die Zeit trotzdem nicht.“ Eine Kleinigkeit haben wir dann aber doch selbst in der Hand: Wir können die gegenwärtige Zeit bewusster wahrnehmen. Wer mal warten muss oder sich langweilt, sollte sich deshalb etwas überlegen, wie sich die Zeit angenehmer gestalten lässt, rät der Zeitforscher.

Die Zeit messen

Seit Jahrtausenden messen Menschen die Zeit. Denn sie war für das Leben, das Zusammenleben und das Überleben in der Gemeinschaft wichtig. Die Leute mussten etwa wissen, wann sie ihre Felder bepflanzen, bewässern und ernten müssen. Auch das Bauen von Gebäuden erforderte eine kluge Zeitplanung.

Für diese Zwecke nutzten die Menschen schon frühzeitig unterschiedliche Instrumente für die Zeitmessung. Das waren zunächst Kalender, Schattenstäbe, Wasser- und Sanduhren oder auch Kerzen. Später wurden die Zeitmesser immer genauer. Uhren wurden erfunden, die immer genauer tickten. Und je zuverlässiger die Uhren gingen, desto genauer planten die Menschen ihre Zeit. Wer sich früher irgendwann an einem bestimmten Tag traf, traf sich später auf die Minute genau zu einer vereinbarten Uhrzeit.

Heute zeigen uns Wecker, Wanduhren, Armbanduhren, Stoppuhren und Smartphones die Zeit an. Und sie bestimmen unseren Alltag. Denn je besser wir uns an bestimmten Zeiten orientieren können, umso genauer können wir unser Miteinander in der Gemeinschaft planen. Vom Unterrichtsbeginn bis zum Feierabend.

Text und Foto: Philipp Brandstädterzunächst erschienen über dpa Nachrichten für Kinder, März 2021

Tiere im Winter

Tiere im Winter

Die einen verreisen in den Süden, die anderen lassen sich ein dickes Fell wachsen – und manche legen sich einfach schlafen. Die kalte Jahreszeit überstehen Tiere auf ganz unterschiedliche Art und Weise.

Die Blätter fallen von den Bäumen. Die Blumen sind längst verblüht und die Früchte längst gefuttert. Gerade herrschte noch emsiges Treiben auf den Wiesen. Nun kehrt Ruhe ein. Der Winter steht vor der Tür. Für uns Menschen ist das meistens kein Problem. Wir drehen die Heizung auf und machen es uns in unseren vier Wänden gemütlich. Für die Tiere in der freien Natur hingegen ist die kalte Jahreszeit eine große Herausforderung.

„Damit Tiere im Winter nicht erfrieren, brauchen sie viel Energie“, erklärt der Naturschützer Albert Wotke. „Die Energie gewinnen sie aus ihrer Nahrung. Doch die ist im Winter meist Mangelware.“ Deshalb haben die Tiere sich unterschiedliche Wege einfallen lassen, um die kalte Jahreszeit zu überstehen.

AB INS WARME: Auf einmal versammeln sie sich zu großen Schwärmen. Dann steigen sie in den Himmel auf und verschwinden für ein paar Monate. Zugvögel fliegen im Winter in wärmere Gebiete. Nach Südeuropa oder Afrika zum Beispiel. Zu ihnen zählen etwa Störche, Kraniche, Schwalben und Stare. Doch nicht alle Vögel verlassen das Land. „So genannte Standvögel bleiben auch im Winter hier“, sagt der Experte. „Sie lassen sich dann ein dichtes Daunenkleid unter ihren Federn wachsen.“ Zwischen den Daunen kann sich dann ein Luftpolster bilden. Das schützt die Vögel vor Eiseskälte.

GUT VORSORGEN: Im Sommer und den ersten Herbsttagen gibt es noch reichlich Futter. Einige Tiere nutzen das. „Fledermäuse, Igel und Murmeltiere fressen sich vor dem Winter ordentlich Speck an“, erklärt der Fachmann. Dann suchen sie ihr Versteck auf und halten dort Winterschlaf. „Während sie die Kälte verschlafen, zehren sie von ihren Fettreserven.“ Andere Tiere schlafen nicht so fest. Der Dachs, der Waschbär und das Eichhörnchen zum Beispiel. Sie halten nur Winterruhe und wachen zwischendurch auf. Dann bedienen sie sich aus ihren Vorräten, die sie sich vor dem Winter angelegt haben.

DIE KÄLTE AUSHALTEN: Rehe, Hasen, Wildschweine und Füchse halten den Winter aus. Im Wald finden sie oftmals noch genug Futter, um keinen Hunger zu leiden. Allerdings dürfen sie dann nicht wählerisch sein. „Füchse fressen Fallobst, Wildschweine suchen nach Wurzeln im Boden, Rehe knabbern Baumrinde und Eicheln“, sagt Albert Wotke.

ABTAUCHEN: Fische und Amphibien tauchen ab. Bei Minus-Temperaturen bildet sich auf Gewässern eine Schicht aus Eis. Doch das Wasser gefriert niemals bis zum Grund. Und die Tiere unter Wasser gefrieren nicht zu Eisklötzen. Stattdessen suchen Fische ein ruhiges Versteck auf. Frösche und Molche verkriechen sich im Schlamm. „Mit den fallenden Temperaturen sinkt auch die Körpertemperatur dieser Tiere“, erklärt der Fachmann. „Sie geraten dabei in eine Kältestarre, aus der sie erst im Frühjahr wieder erwachen.“

Hilfe für die Vögel

Manche Vögel fliegen im Winter in den warmen Süden. Andere bleiben hier. Meisen und Kleiber zum Beispiel. Diese fressen eigentlich am liebsten Insekten. Aber weil sie im Winter kaum noch Insekten finden, landen auch Samen und Körner auf dem Speiseplan. Diese liefern viel Energie, mit der sich die Vögel in der Kälte warm halten.

Diese Art Vogelfutter streuen viele Leute gern in einem Vogelhäuschen aus. Dort können Vögel in aller Ruhe Körner picken. Sie sind vor Wind, Regen und Fressfeinden geschützt. Und die Vogelfreunde können das emsige Treiben beobachten. Von November bis Februar kann das zusätzliche Futter eine Hilfe für die Tiere sein.

„Sonnenblumen-Kerne eignen sich gut als Vogelfutter“, sagt ein Fachmann. „Wer Vögel füttert, sollte die Futterstelle aber auch stets sauber halten.“ Denn sammelt sich in den Vogelhäuschen zu viel Schmutz, können die Tiere krank werden.

Text und Foto: Philipp Brandstädter, zunächst erschienen über dpa Nachrichten für Kinder, November 2017

Quellen

Rotwild

Deutsche Wildtierstiftung über Waldtiere

Winterschlaf und Winterruhe

Futterhäuschen

Vogelfütterung

In die Magnet-Röhre geschaut

In die Magnet-Röhre geschaut

Ein MRT verhilft uns zu einem Einblick in das Innere eines Körpers. Das Gerät kann sozusagen Fotos von unseren Organen machen. Das funktioniert durch eine knifflige Technik.

In einem medizinischen Labor gibt es einen ungewöhnlichen Raum. Darin kann man eine riesige, an beiden Enden offene Röhre sehen. Die erzeugt etwas, das man nicht sehen kann: eine enorme Kraft. Wenn sich ein Mensch in die Maschine legt, kann sie Fotos vom Inneren des Menschen machen. Etwa vom Gehirn oder anderen Organen. Dieses Gerät nennt man MRT. Doch wie funktioniert diese Maschine? Was hat es mit der unsichtbaren Kraft auf sich? Und was bedeuten die drei Buchstaben? Das kann der Physiker Robert Trampel erklären.

Das M

„Die Kraft, die das MRT erzeugt, ist ein unheimlich starkes Magnetfeld“, sagt Robert Trampel. Das M steht also für Magnet. „Dieses Feld beeinflusst die Wasserstoff-Atome in unserem Körper.“ Das sind winzige Teilchen, die man nicht einmal unter einem Mikroskop sehen kann. Jedes Atom trägt einen Kern in sich. Und der kann sich wie ein winziger Magnet verhalten.

Liegen wir in der Röhre, so ordnen sich die Minimagneten unserer Wasserstoffkerne dem Magnetfeld des MRT an. Nun kommt eine weitere, für uns unsichtbare Energie zum Einsatz: Radiowellen. Diese Wellen lenken die Atomkerne aus ihrer kurz zuvor eingenommenen Stellung heraus. Aber wozu der ganze Hokuspokus?

Das R

Wenn die Radiowellen abgeschaltet werden, passiert folgendes: „Die Atomkerne springen in ihre ursprüngliche Lage zurück, während sie sich um ihre eigene Achse drehen“, erklärt Robert Trampel. Man kann das mit der Drehbewegung eines Kreisels vergleichen. „Durch diese Bewegung erzeugen die Kerne einen winzigen elektrischen Strom.“ Und den kann man mit hochempfindlichen Antennen messen.

Steht das R im MRT nun für die Radiowellen? Nein. Das R steht für Resonanz. Das Wort bedeutet etwa so viel wie Schwingung. Damit bezieht sich der Buchstabe auf die Minimagneten, die durch ihre Bewegung ein Signal erzeugen. Diese Signale werden an einen Computer gesendet. Der setzt sie schließlich zu Aufnahmen vom Inneren eines Körpers zusammen. Unterschiedliche Signale werden dann etwa in unterschiedlichen Grautönen angezeigt.

Das T

Ob längs, quer oder schräg – die Bilder aus dem MRT zeigen das Gewebe eines Körpers in ganz unterschiedlichen Ebenen. So lassen sich etwa die Strukturen und Beschaffenheiten von einem Organ Schicht für Schicht darstellen. Dafür werden weitere Magnetfelder benötigt, die sich in alle Richtungen steuern lassen. So erhalten die Forscher eine scheibchenweise Darstellung des untersuchten Organs. Das ist bei Medizinern auch unter dem griechischen Fachbegriff Tomographie bekannt. Das T steht für Tomographie.

MRT ist also die Abkürzung für Magnet-Resonanz-Tomograph. Das Gerät ist gut geeignet, um in unser Inneres hineinzugucken. Es macht Aufnahmen von unseren Organen, Gelenke oder auch Blutgefäßen. Forscher und Ärzte gucken sich diese Bilder an, um etwa eine Krankheit festzustellen.

Ab in die Röhre

Wer sich in einem MRT untersuchen lässt, muss ein paar Dinge beachten. Sie alle haben mit dem unheimlich starken Magnetfeld zu tun, das das Gerät umgibt. Alle magnetischen Gegenstände dürfen nicht in die Nähe des Felds geraten.

Ohrringe, Brillen, Haarspangen, Münzen, Gürtel, Armbanduhren, Ketten, und natürlich auch Smartphones – all diese Sache müssen vor einer Untersuchung im MRT abgegeben werden. Denn sie würden durch das Magnetfeld angezogen und könnten Schaden anrichten.

Der MRT befindet sich wegen der starken magnetischen Eigenschaften in einem eigenen Raum. Der ist durch eine Glasscheibe einsehbar. So können Ärzte und Forscher die Röhre und Patienten beobachten.

Der Patient in der Röhre muss nun eine Weile ruhig liegen bleiben. Er darf sich nicht bewegen, damit die Aufnahmen des MRT nicht verwackeln. Beim Aufzeichnen der Bilder macht das Gerät einen dröhnenden Lärm. Deshalb trägt man in der Röhre Ohrstöpsel. Oder Kopfhörer, über die man statt des Krachs Musik hören kann.

Bis zu einer Stunde kann so eine Aufzeichnung im MRT dauern. So lange reglos in einer Röhre zu liegen ist nervig. Aber die Untersuchung ist ungefährlich und tut kein bisschen weh.

Abgeschottet von der Außenwelt

Meterdicke Wände aus Beton umschließen ein MRT. Diese Wände sind nicht etwa dazu da, um das Labor vor Einbrechern zu schützen. Oder, dass jemand ausbricht. Vielmehr schirmen sie die empfindlichen Messgeräte des MRT von fremden Signalen ab.

Die Signale aus unserem Körper, die das MRT eigentlich messen soll, sind sehr schwach. Funkwellen von Radio, Fernsehen und Handys sind viel stärker. Sie würden die wesentlichen Signale überlagern. Und das MRT könnte keine Bilder von unserem Inneren aufzeichnen.

Umgekehrt ist das magnetische Feld des MRT so stark, dass elektrische Geräte in der unmittelbaren Umgebung gestört oder beschädigt werden könnten. Das Magnetfeld des MRT ist zehntausende mal so stark wie das Magnetfeld der Erde! Dem menschlichen Körper macht das allerdings nichts aus.

Text: Philipp Brandstädter,
zunächst erschienen über dpa Nachrichten für Kinder, September 2018

Quellen:

MRT erklärt

MRT erklärt